Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Mittwoch früh noch auf die Rolle gegangen, da Tante mit den Händen nicht so zugreifen konnte. 1 Uhr 40 bin ich dann nach Leipzig zurück. Ich muß sagen, Vater freute sich, als ich wieder da war, und auch Heidi sah man die Freude an
... Leni war nicht da. Sie war mit Gretel Kolbe, welche am Donnerstag unverhofft kam, zu Lisa gegangen, darum holen wir das Paket morgen. Der Füller ist auch angekommen, habe die Karte, die ich von Silbersdorf an Dich schrieb, damit geschrieben. Ich muß Dir nun aber ein Geständnis machen. Als ich am Montag etwas schreiben wollte, war der Halter nicht mehr da. Verloren kann ich ihn nicht haben. Vielleicht hat ihn Elli aus der Tasche genommen oder ich habe ihn dort liegen gelassen. Habe gleich an Elli deshalb geschrieben. Ich hatte mich eben zu sehr darüber gefreut. Ich danke Dir von ganzem Herzen dafür, sei nur nicht bös, vielleicht bekomme ich ihn wieder.
Ich freue mich, daß Du für Vater einen Hut besorgen willst, den kann ich ihm gleich zu Weihnachten schenken. ... Ja, ich freue mich sehr, wenn Du nach Hause kommst. Du wirst Dich gewiß über Dein Heidikind freue, und wirst erstaunt sein, wie sie sich rausgemacht hat. Heute ist sie alle vier Treppen hochgestiegen. Ich durfte sie nicht halten, allemal ertönte ihr ‘alleine‘.
Doch mein lieber Junge nun will ich Schluß machen. Vater will zu Bett gehen, da will ich zurecht machen. Bleib mir recht gesund. Sei von uns allen recht herzlich gegrüßt und geküßt und behalte lieb
Deine alte Mutter.
d. 23.11. 43
Mein lieber Junge!
Für Deinen lieben Brief vom 16.11. recht vielen Dank. Wir haben uns sehr darüber gefreut. Heute sitze ich im Wartezimmer von Frau Dr. Weise am kleinen Schreibtisch und will Dir schnell Deinen Brief beantworten. Ich weiß, daß ich Elli nicht helfen kann und tut es mir leid, wenn ich Dir vorklage, aber es ist mir eine Erleichterung, denn mit Vater kann ich nicht reden, er versteht es nicht so. Siegfried und Margarete waren jetzt auf Urlaub da, und Hilde war zu Haus. Da war mal Leben bei Onkel Karl und Tante Selma. Ich freue mich, daß Du Elli geschrieben und ihr gut zugeredet hast. Du hast ja eine so liebe Art dazu. Ich habe ihr Äpfel mitgenommen, als ich bei ihr war. Ich will ihr heute ein Päckchen mit Schreibpapier, Bleistift schicken und will sehen, daß ich ein paar Zwiebäcke für sie bekomme. Werde ihr etwas Butter und ein wenig Zucker mit einpacken. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn Du ihr schickst, sie bekommt es vielleicht nicht alles. Es ist besser, wenn man ihr mitnimmt, wenn ich sie wieder besuche. Jetzt möchte sie Weihnachten nach Hause kommen, und ich weiß immer nicht, was ich dazu sagen soll. Es fällt mir immer schwer, so etwas zu schreiben, darum freue ich mich wenn Du ihr mal schreibst, sie freut sich über Deine Briefe immer sehr. Wie Du schon durch Leni gehört hast, sind alle Pakete eingetroffen und haben viel Freude gebracht. Ich danke Dir für alles recht sehr. Du hast da viel Arbeit mit uns, und da nörgelt man Dir noch die Ohren voll. Also sei nur nicht bös, wenn ich Dir mal was vorklage. Weißt Du, der Füller tut mir sehr leid, da ich mich riesig darüber gefreut habe, aber Elli schrieb mir, daß er dort nicht gefunden worden sei. Wenn Du so lieb sein willst, besorge für Vater einen Hut 56 ½ – 57. Da habe ich etwas für ihn zu Weihnachten. Was wird er kosten, daß ich Dir gleich das Geld schicken kann.
Nun rückt auch die Zeit Deines Urlaubs näher und freuen wir uns alle darauf. Du wirst über Dein kleines Heidikind sehr erstaunt sein, was sie für Fortschritte macht. Vorgestern sang ich ihr das Lied ‘Kommt ein Vogel geflogen’ vor. Sie lauschte andächtig und als ich fertig war sagte sie: ”Fein” und ”Mal”, das klingt so drollig. ... Gesundheitlich ist sie auf dem Posten und ist auch brav, wenn wir in den Keller müssen. Leni klagte jetzt über ihre Beine, wahrscheinlich Rheuma, ich will gleich Frau Doktor mal fragen, ob sie Bäder nehmen soll, denn es ist doch besser, sie macht etwas dagegen.
Wenn Du jetzt viel zu tun hast, so schreib nicht so viel an uns, sondern leg einen Zettel bei Leni bei. Heute werde ich wohl länger warten müssen, ich gehe zu Mittag erst mal nach Hause. Jetzt mache ich einstweilen Schluß, und schreib weiter, wenn ich von Frau Doktor wieder zu Haus bin.
So, nun habe ich ganz groß zu Abend gegessen (Wurstsuppe mit rohen Kartoffeln), schmeckte aber gut. ¼ 8 Uhr bin ich von Frau Dr. Weise gekommen. Vater
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