Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946

angekommen ist. Die schwedischen Bücher, 24 Pfund Gewicht, sind ja auch noch unterwegs. Ich wäre sehr gerne dabei gewesen, als Heidi den Esel sah, als Du das Paket aufpacktest. Es ist schon richtig und in Ordnung, dass Ihr dem Kerlchen das Vieh gegeben habt, da hat sie jetzt schon ihre Freude daran. Für das Kind, dem es nun fehlt, ist es bitter, aber es stand auf der Strasse und wenn ich es nicht genommen hätte, dann ein anderer. Für den Kuss recht vielen Dank, kleine Frau, aber ich wollte, ich könnte Dich mal wieder aus dem Vollen beschenken. Mit der Sparerei zerbrech ich mir nicht den Kopf, klappt es, dann hat man richtig gehandelt, und im anderen Falle, was willst Du jetzt sonst mit dem Geld anfangen? Bekommen tut man doch nichts dafür. Den Brief von Lieberoths habe ich Dir einen oder zwei Briefe später mitgeschickt; war interessant, ja? Wegen dem Gehalt war ich jetzt beim Refü und dann bin ich erst Abendessen gegangen; es gab zusätzlich warmes Essen und zwar Gulasch mit Pellkartoffeln, ganz prima. Nun zu dem Gehalt; es gibt ja für zwei Monate immer Gehalt und dann ist das Monatsgehalt für mich ab 1.1. M 191.–, damit keine Einbusse entsteht, zahlt die Wehrmacht einen Ausgleich auf 1 ½ Jahre. Ich nahm an, dass Du zuletzt pro Monat M 218.– bekommen hast. Jetziges Gehalt M 191.–, Differenz M 27.– x 18 = 486.– M x 2 Monatsgehalt a M 191.–= M 382.– + Ausgleich M 486.– = M 868.–. Rechne nun mal selbst genau nach, ob Du auf die gezahlte Summe kommst.
    Da, wie Du nun schreibst, die Briefsperre aufgehoben ist, also fallen meine Vermittlerdienste nun weg. Ja, kleine Frau, jetzt sieht es wirklich schlimm aus in Schlesien und weiss keiner, wohin das führt. Wir sitzen hier und können nichts dagegen tun und grübeln, was wir Euch schreiben sollen, wenn der Russe weiter vorrückt. Sollte es so kommen, dass die Richtung auf Leipzig geht, dann bleibt Euch wohl weiter nichts übrig, als von zuhause wegzugehen. Ich kann Dir nun gar keine Verhaltensmassregeln geben, denn was wissen wir hier schon, was für Euch im richtigen Augenblick not tut. Man könnte heulen vor Wut, dass man seinen Lieben gar nicht helfen kann. Man klammert sich eben doch an die Hoffnung, dass alles noch gut ausläuft, obwohl die Gegenwart mehr als schwarz aussieht. Und mag es kommen, wie es will, ich weiss, dass wir uns alle gesund wiedersehen und diesen Glauben lasse ich mir auch nicht ausreden. Sollte es doch einmal dazu kommen, dass es uns nicht möglich ist, einander wegen fehlender Anschriften zu schreiben, dann geht der Weg über Rydbergs, das musst Du Dir merken, falls es einmal so kommen sollte. Verlier nicht den Mut, kleine Frau, in Gedanken bin ich immer bei Euch. Gestern habt Ihr wohl wieder einen schweren Tag gehabt; wir haben hier die Anflüge auf Sachsen verfolgt und hoffe ich, dass Ihr die Einflüge gut überstanden habt. Heute war nun wieder Chemnitz und Dresden dran; ein Elend, dass man diesem Terror nichts entgegensetzen kann. Da kann man sich denken, dass die Flüchtlinge aus dem Osten nicht in Leipzig bleiben wollen. Es kann ja auch nur noch ein bis zwei Wochen dauern, bis man sieht, wie sich die Lage weiterentwickelt. Jetzt warte ich auf den Besuch des Inspektors um mit ihm wegen einer Dienstreise zu reden, obwohl, wie Du richtig schreibst, bei der jetzigen Lage die Aussichten sehr gering sind, aber versuchen muss man es.
    Heute lege ich Dir ein Tütchen Teetabletten bei, mehr habe ich zur Zeit nicht da. Dass Du jetzt öfters ins Kino gehst, freut mich sehr, denn was habt Ihr denn sonst von Eurem Leben; ich glaube kaum, dass man die Kinos schliesst, denn das ist ja die einzige Abwechslung, die Ihr noch habt. Nun steckt Ihr also zur Abwechslung wieder mal im Waschhaus, ich halte den Daumen, dass Ihr auf dem Hofe trocknen könnt. Habt Ihr denn nun die Punkte in der Stadt umgesetzt und was Ordentliches dafür bekommen? Wie viel Zigaretten hast Du für die Rauchermarke bekommen; es müssen für vier Tage Rauchwaren sein.
    Vor paar Tagen war ich mal wieder in Arnheim, da sieht es von Tag zu Tag elender aus. Jetzt brannte es mal paar Tage und Bomben geschmissen ein Haus nach dem anderen. Gestern waren wir wieder auf der Strecke; da hatte ein Kommando in unserer alten Stellung eine Baracke und damit eine Leitung abgerissen. Da es sehr schnell ging, bis wir fertig waren, sagte ich zu meinem Spannemann, bei dem schönen Wetter fahren wir ruhig zurück und quer durch den Wald und an einer sonnigen Stelle wird