Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
gesehen, so dass ich nichts versäumt habe. Aber man ist hier in dieser Einöde scharf auf Abwechslung. Dresden hat es nun ja auch schwer mitgenommen, ob wohl Helms und Tante Berta gut davongekommen sind? Wo hat es denn bei Euch im Süden so schwer gebrannt, hast Du das noch erfahren? Zu beneiden seid Ihr absolut nicht und für die Kinder ist diese Zeit mehr als schlimm. Sollte es nun so weit kommen, dass der Russe sich Leipzig auf 80-100 Kilometern nähert, was wir aber doch nicht hoffen wollen, dann bleibt Euch doch nichts anderes übrig, als von Leipzig fortzukommen. Du glaubst nicht, wie hilflos ich mir vorkomme, dass ich Dir keinen anderen Rat geben kann und in solch schwerer Zeit nicht bei Dir sein kann, aber was kann ich schon für Dich tun? Man sitzt hier, muss zusehen, wie man im Reich alles zerstört und nun noch diese Sorge. Vielleicht wird es aber noch einmal im Osten besser, wenn nicht, dann musst Du eben nach eigener Initiative handeln und jeder Ratschlag von mir wäre auf diese Entfernung hin nutzlos. Aber wir wollen noch einmal Mut fassen und hoffen, dass Euch dieses Flüchtlingselend erspart bleibt. Zur Zeit ist ja im Osten ein Stillstand eingetreten, nur weiss man nicht, ob es sich nur um eine Pause handelt, nach der der Russe noch stärker zuschlägt oder ob es sich um eine Wendung im Ostkrieg handelt. Lass Dich nicht zu sehr entmutigen, denn es kann die Zeit kommen, wo Du Deine ganzen Kräfte für Dich und Heidi brauchst. Sollte es einmal dazu kommen, dass wir nicht wissen sollten, wo wir einander suchen müssen und es ist dazu Gelegenheit, dann über Maja. Ich will aber optimistisch nicht daran glauben, dass dies einmal der Fall sein wird. Es ist eine schwere Zeit, die Ihr alle durchzumachen habt und wollen wir nicht den Glauben verlieren, dass auch einmal für uns alle eine ruhige und sorgenlose Zeit kommt, denn nach sechs Jahren solchen Krieges haben wir alle sie verdient. Hast Du mit Frau Berthold ein paar nette Stunden verlebt, denn die bringen ja immer etwas Entspannung. Warst Du nun mit Heidi bei Lisa und wie geht es ihr und Martin? Den Schrank von Schramms habt Ihr ja nun. Habt Ihr noch einen Platz für ihn gefunden und wo steht er? Wie war es im Zoo, da hat wohl Heidi große Kulleraugen gemacht, als sie die vielen fremden Tiere sah? Die Kippe werde ich mir einrahmen und mich dann freuen, was für eine gewissenhafte Frau ich habe. Von mir ist nicht viel zu berichten; immer viel Arbeit, aber gesund bin ich dabei. Gestern war ich auf Störungssuche und morgen muss ich wieder fahren, aber da will ich bis drei Uhr zurück sein, denn morgen ist Film. Jetzt muss ich gleich vertretungsweise Vermittlungsdienst machen und am Abend will ich evtl. noch an Helenchen und Mutter schreiben, d.h. wenn nichts dazwischenkommt. Das Päckchen mit dem Block will ich auch noch packen und gar so spät auch nicht ins Bett gehen, denn gestern hatte ich O.v.D. und da musste ich um 12 Uhr und 4 Uhr früh Kontrolle gehen und bin dadurch wieder wenig zum Schlafen gekommen. Zum Zahnarzt habe ich es auch noch nicht geschafft, es wird von einem zum anderen Tag verschoben.
Nun, kleine Frau, für heute wieder mal am Ende. Dir recht viele liebe Grüsse und Küsse und bleib mir recht gesund. Für das Heidikind das Gleiche und bin ich in Gedanken immer bei Euch.
Dein Dichliebender Hans.
Brief 12E.O., den 26.2. 45
Meine liebe kleine Lenifrau!
Dir heute schnell nur ein paar Zeilen, die Dich und Heidi hoffentlich gesund antreffen. Ich weiss nicht, ob ich Dir schon geschrieben habe, dass ein Schreibblock und vier Päckchen Tee an Dich unterwegs sind. Letzten teilst Du wohl bitte mit Mutter. Am vergangenen Freitag hatte ich mich sehr auf das Kino gefreut und musste dann noch ganz plötzlich am Vormittag nach Apeldoorn, so dass ich um den Film gekommen bin und war ich sehr ärgerlich. In Apeldoorn bekam ich keinen Gemüsesamen, aber auf der Rückfahrt in einem Vorort von Apeldoorn. Der Inhaber kannte Leipzig, besonders Markleeberg sehr gut und war auch oft in Schweden gewesen und habe ich mich mit ihm auch auf schwedisch unterhalten. Ich habe nun für M 12.– Samen gekauft, ob es das Richtige ist, weiss ich nicht, aber hoffe es. Du wirst wohl das, was Du davon nicht benötigst, wieder los werden. Das Päckchen ist nun vorgestern weggegangen und brauchst Du hoffentlich nicht zu lange darauf zu warten.
Nun bitte ich Dich, schreibe mir mal umgehend Heidis Schuhnummer, es kann vielleicht sein, dass ich durch die Wehrmacht ein
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