Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
wurde nicht satt. Man muß zusätzlich schon etwas mitnehmen. Am Abend bekam jeder ein Viertel Rotwein, der war gut. Die Bahnfahrten sind im allgemeinen katastrophal. Hinzu haben wir 2. Klasse bis Salzburg über Nacht bequem gesessen, von Salzburg und durch die Hohen Tauern über Bad Gastein will man gern stehen, das lohnt die herrliche Aussicht. Wir sind hier abends ½ 11 Uhr weg und waren anderen Tages ¾ 19 Uhr in Gmünd. Heimzu sind wir auf Lisas Anraten (welche acht Tage früher unter katastrophalen Umständen heimgefahren ist) nach Klagenfurt am Wörthersee gefahren. Dort wird der Zug zusammengestellt und die zwei letzten Wagen fahren durch bis Berlin. Der Zug geht 14 Uhr dort weg und mußten wir schon um 12 Uhr einsteigen und so konnten wir wieder bis Leipzig sitzen. Von Gastein aus wurde es wieder ungemütlich voll. So Gott will und wir es erleben, fahren wir im Sommer wieder hin. Papa hat sich dort wieder mit einer Kärntnerin angefreundet. Die wollte uns auf Weihnachten zu etwas schicken.
Ihr seht, wir verderben nicht. Man möchte zwar gern sich etwas aufheben, aber auf der einen Seite ist es falsch, sollte es auf irgendeine Weise in Trümmer gehen. Also wir leben jetzt und sehen nicht elend aus, Papa wird sowieso nicht wieder dick werden, die Hauptsache, daß er nicht wieder erneut mit dem Magen zu kämpfen hat. Lischen ist sogar dicker geworden, da staunt Ihr. Ich habe ihr auch immer genügend zugesetzt, sie soll nicht so dumm sein und soll tüchtig essen. Sie konnte sonst immer, wenn sie sich geärgert hat, nichts essen, dem ist Gott sei Dank nicht mehr so. Jetzt heißt es nur von einem Tag zum anderen leben, denn wir wissen nicht, ob wir morgen noch sind.
Am 10. Oktober waren wir 35 Jahre verheiratet und da der Tag an einen Sonntag fiel wie vor 35 Jahren, so hatten wir Lisa und Leni und Martin zu Mittag eingeladen. Es gab Kaninchen und rohe Klöße und eine Flasche Wein hatten wir auch dazu. Leni schenkte mir ein Viertel Kaffee und so haben wir jeder eine Tasse Bohne und auch Kuchen gehabt. Lisa schenkte uns ein Huhn und so haben wir einige nette Stunden verlebt. Du siehst, wir können nicht verderben. Wir haben Euer nur im Stillen denken können. Am Abend sind sie beizeiten zu Haus. Es ist immer besser man ist daheim bei evtl. Alarm. Bisher ist immer noch alles gut gegangen. Wir sind gesund und wohlauf und leiden nicht Not. Was dies anbelangt, brauchst Du Dir keine Sorge um uns zu machen, das wäre unnütz. Wenn einmal irgendetwas sein sollte, schreiben wir schon. Du siehst so sorgenvoll auf Deinem Bildchen aus, trotzdem Du doch Deinen Sonnenschein täglich um Dich hast. Fehlt Dir irgendetwas oder leidest Du seelisch? Letzteres könnte ich mir schon eher vorstellen nach Deinem Brief an Lieschen. Um den Jungen sorge Dich nicht, das darfst Du nicht, ich denke dabei an Tante Hedwig, aber laß Dir dadurch nicht das Herz beschweren, Du bist doch ein moderner Mensch, ich glaube einfach nicht an den Quatsch, schalte auch Du ihn aus. Nun hattest Du auch Sorge um Heinz, hoffentlich ist alles gut verlaufen und sonst versteht Ihr beide Euch doch sicherlich recht gut. Das Leben ist heute nicht leicht, aber Du bist doch ein mutiger Mensch. Weißt Du, wer mich neulich besuchte, Gretel Fahr. Abends um 8 Uhr auf eine Stunde, dann wollte sie noch zu ihren Eltern. Sie brachte mir zwei blühende Alpenveilchen mit und zwei Pfund grüne Bohnen um mir eine Freude zu machen und das war ihr auch gelungen, riesig gefreut hatte ich mich, Papa war gerade zum Stammtisch. Ich habe sie dann mit einer Tasse von dem südamerikanischen Tee erfreut, den ich vor kurzem angerissen habe, mit dem ich aber haushalte.
Weihnachten bekommen wir wieder jeder 50 Gramm Bohne und eine halbe Flasche Schnaps. Diese Woche hatte Hans uns etwas Butter geschickt, es wird wohl die letzte sein. Gretel Fahrs Mann ist zur Zeit in Baden Baden. Sie ist recht glücklich und sieht auch gut aus. Ich gönne es ihr von Herzen.
Soeben war Leni auf einen Husch da, sie wollte Deine Adresse. Heidi macht sich jetzt sehr raus. Sie spricht auch sehr viel schon und hat auch eine gute Beobachtungsgabe, was mich sehr freut und auch etwas aussöhnt. Sie gleicht jetzt sehr viel ihrem Papa, nicht mehr ihrem Opa Paul.
Kinder verändern sich eben oft. Ich bin Omi, Lina ist Oma. Omi, so kommt sie zur Tür herein. Ist Ulimann denn immer noch so musikalisch? Vielen Dank nochmals für die schönen Bildchen, womit Ihr uns eine große Freude macht. Papa muß die Bilder öfter mal
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