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Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946

Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946

Titel: Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Deinem Heidikind. Sie hat sich sehr gut herausgemacht. Ist sehr verständig und niedlich zugleich und spricht schon recht schön. Sie beobachtet sehr gut und spricht nach. Als ich neulich unten klingelte, rief sie von oben runter: “Omi, Omi!” Ich bin nämlich Omi, Deine Mutter Oma. Also vielleicht klappt es zu Weihnachten. Lieber Hans! Wenn Du nochmals etwas Tee auftreiben kannst für Frau Singer, Preis ist egal. Sie hat etwas Zigarren da, die der Meester ja dann in Zigaretten umtauschen kann. Und in den Garten kannst Du gern hinterkarren, nicht für uns, Gott bewahre, nein für Heidi zum dreckern, d.h. wenn Martin solchen besorgen kann. Das Saftkochen in der Steubenstraße ist noch nicht beendet, das geht nicht so schnell wie das Essen.
    Nun sei für heute vielmals herzlich gegrüßt von uns zwei beiden
    Omi
     
     
     
    Leipzig, d. 29. 12. 43 (Oschatz?)
    Liebe Leni, lieber Hans!
    Nun haben wir den Heilig Abend und die Feiertage hinter uns und werden voraussichtlich erst am Montag nach Leipzig fahren. Wir sind hier noch zu keinem Entschluß gekommen. Es ist so unsagbar schwer, wenn man keine Heimat mehr hat und der liebe Gott hätte gut getan, wenn alle Heimatlosen tot wären. 2) Man greift sich an den Kopf und fragt sich immer, wofür und warum. Alle sind wohl gut zu einem, aber man ist eben überall auf Besuch, man ist ruhelos geworden. In Wermsdorf sind wir gewesen. Der Bürgermeister von dort, ein Leipziger aus der Schützenstraße, der auch meinen Vater gut gekannt hat, will sich alle erdenkliche Mühe geben, uns Werkstatt und Wohnraum zu verschaffen, ich glaube kaum, daß Papa und ich uns dort eingewöhnen werden, ein alter Baum läßt sich eben nicht mehr verpflanzen. In Oschatz ginge es schon eher. Tante Emma war danach. Bei einem 80 Jahre alten Meister könnte Papa die Werkstatt benutzen. Sie hat aber keinen Ofen und sieht trostlos aus, da sieht man erst, was Papa für eine herrliche Werkstelle hatte. Auch hat er keinen Mut mehr zum Arbeiten. Es liegt wie eine Lähmung in den Gliedern. Dabei nur die Sachen, die er auf dem Leibe trägt, man fühlt sich eben nicht mehr wohl. Heute haben wir uns je eine Brille verschreiben lassen, morgen wollen wir einmal baden gehen. Geschlafen haben wir jetzt bei Walter oben, da gehen wir abends hinauf und frühmorgens wieder runter. Wenn wir wieder herfahren, dann schlafen wir oben bei Frau Wurzeck. Die Tochter war zuerst erschrocken, sie dachte, sie muß ihre Wohnung hergeben. Da wäre man etwas für sich, wo man sich richtig waschen kann und was so alles zum Primitivsten gehört. Papa würde sich gern hier einen Anzug bauen lassen, aber es sieht da auch sehr ungünstig aus. Am liebsten wäre uns, wenn wir bei Lisa draußen zwei Zimmer haben könnten, vier eigene Wände, dann möchte es vielleicht gehen. Hoffentlich überwinden wir einigermaßen. Du hattest mir, liebe Leni, eine große Freude damit gemacht, daß Du, trotz der beschwerenden Umstände, Heidi mitgebracht hattest. Solch Kind kann manchen Trost bringen. Liebe Leni! Bitte jeden Abend den lieben Gott, daß er Dir Dein Heim erhält, nicht jedes Haus fällt zum Opfer. Am Heiligabend frühmorgens, als wir im Keller saßen und die Flieger über uns hinweg flogen, meinte Mutter Kunad: “Nur gut, daß es nicht bei uns ist”, und ich dachte wehen Herzens der armen Menschen, die sich in diesen Tagen wieder auf den Weg machen mußten in Berlin. Hoffentlich habt Ihr Weihnachten mit Eurem Kind gut verlebt, ich habe immer an Euch alle denken müssen, Lisa wird es auch traurig verlebt haben. Unten wollten sie eben Weihnachten feiern, Mutter Kunad meinte, man muß sich selbst Feste schaffen. Hier in Oschatz ist man mit viel Takt für uns über Weihnachten hinweggegangen. Lieber Hans! Da wir uns nun nicht noch einmal sehen, so wünschen wir Dir für das ‘Neue Jahr’ alles Gute. Bleib gesund und frohgemut. Hoffentlich bleibt Dein Heim Euch erhalten, es wäre mein einziger Wunsch. Kein Heim zu haben ist furchtbar. –––
    Wir wünschen Dir eine gute Fahrt. Mein Schwager erzählte mir, daß jetzt sehr viele japanische Flieger und Fallschirmjäger in Holland gelandet seien. Wann wird der große Schlag denn ausgeführt werden? Und wieder kostet er unschuldige Menschen.
    Dir alles Gute und liebe Grüße.
    Liebe Leni! Geh Du mit Heidi gesund ins Neue Jahr. Nicht um 12 Uhr. Leg ihr Deine Hand aufs Herz um 10 Uhr und unsere Gedanken begegnen sich so in stillem Gedenken.
    In Liebe
    Mutti und Papa
     
     
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