Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Wagen aus Hannover zurückgekommen, und nachdem ich etwas gegessen und mich aufgewärmt habe, will ich gleich Deinen lieben Weihnachtsbrief beantworten. Recht vielen Dank, kleine Frau. Dein Brief, der am 2. Januartage, also gestern, mich erreichte, war mir wie ein Weihnachtsgeschenk und habe ich mich noch sehr darüber gefreut. Da ist nun also, für mich möchte ich sagen, ‘endlich’, während Heidi da wohl anderer Meinung sein wird, das Fest vorüber und hoffe ich nur, dass Du wenigstens die Feiertage über Entspannung gefunden hast. Dass Du von mir keine Post seit dem Brief Nummer 2 bekommen hast, wundert mich sehr. Nummer 3 ist mit M 20.– am 9. weggegangen, Nummer 4 am 12., Nummer 5 am 19., Nummer 6 am 23., Nummer 7 am 26. und als letzter Nummer 8 am 31. Dabei lag meistens in jedem Brief ein Stäbchen und in Nummer 8 noch M 15.–. Hoffentlich bekommst Du alle fehlende Post noch, denn Du kannst doch das Geld und die Stäbchen gut gebrauchen. Ich wollte heute wieder M 10.– und ein Stäbchen beilegen, aber vorsichtshalber will ich es verschieben, bis ich nochmals Post von Dir bekommen habe. Ich bin gespannt, was Du noch für Briefe erhältst und tut es mir sehr leid, dass Du und Mutter nun das Fest über ohne Post von mir gewesen seid. Helenchen hat da ja mehr Glück gehabt, trotzdem die Briefe alle am gleichen Tage zur Post gebracht wurden. Haben denn Schramms schon meine Zeilen bekommen? Ihr Brief ist allerdings erst am 26. weggegangen. Was Du mir von Lisa schreibst, hat mich sehr überrascht, da ich davon überhaupt keine Ahnung hatte. Sie tut mir wirklich sehr leid; man weiss nun nur nicht, wie es bei ihren Familienverhältnissen zu betrachten ist. Ist es nun gut so oder wäre es besser gewesen, wenn das Kind als Bindung dagewesen wäre. Aber wie dem auch sei, ich wünsche ihr recht baldige Genesung und grüsst Du sie bitte recht herzlich von mir. Weisst Du, ich beneide Dich nicht darum, dass Du hast da die Hebamme vertreten müssen, da würde ich dem allen hilflos gegenüberstehen. Geht es Lisa denn nun auch besser und wie verhält sich denn Martin zu der Angelegenheit? Deine Enttäuschung über das Weihnachtsspiel kann ich verstehen, aber was kann man schon vom Operettentheater verlangen? Es wird wohl zum nächsten Fest besser sein und da gehen wir zwei mit dem Kerlchen, einverstanden? Dafür bist Du ja bei den Thomanern voll und ganz entschädigt worden, was ich Dir auch von ganzem Herzen gönne. Deine Stimmung kann ich mir dabei ganz gut vorstellen. Von Heinz bekam ich heute ein Telegramm, es lag bereits da, als ich auf die Bude kam. Ich bin mit Zögern daran gegangen, es zu öffnen, denn meistens haben sie keinen angenehmen Inhalt. Aber diesmal war es anders, nämlich: ‘Erwarte Dich nächste Woche prosit Neujahr.’ Erst war ich ärgerlich, weil das Ding mir Kopfzerbrechen machte, aber dann habe ich mich doch darüber gefreut. Ich habe Heinz heute gleich eine Karte geschickt, dass ich ihn am 12. über Sonnabend und Sonntag besuchen werde, denn ich bin doch zu neugierig, was er mir von zu Hause erzählen kann. Wie geht es denn Heidi, ist der dumme Husten endlich weg? Da hast Du arme kleine Frau ja auch Deine Sorgen gehabt und ist nun alles hoffentlich in Ordnung? Heidi hat ja nun den Vogel abgeschossen mit all ihren Geschenken und habt Ihr da ja schon lukullische Orgien in der Puppenküche gefeiert, Ihr Prasser! Mit dem Radio hast Du wirklich Pech, aber da kann man vorläufig eben nichts machen. Kleine Frau, nun mach Dir keine Kopfschmerzen wegen den Zigaretten, sondern geniesse sie. Eine Schachtel hab ich noch für Dich da und ab und zu lege ich wieder eine in die Briefe mit bei. Wenn ich gekonnt hätte, dann hätte ich mehr geschickt, aber es ist ja nichts zu bekommen. Es ist schön, dass man Dich so reich bedacht hat, da ist es nicht so aufgefallen, dass von mir nicht viel da war. Sag mal, ich habe am ? an Heidi einen kleinen Brief geschrieben und in einen von Mutters Briefen mit beigelegt, habt Ihr den auch nicht bekommen? Also hat das Kerlchen mich nicht ganz vergessen, dass sie am Heilig Abend nach mir gefragt hat. Vielleicht wäre was Wahres daran gewesen, wenn Du ihr geantwortet hättest auf ihre Frage nach mir, dass der Vati doch nicht so gefolgt hat wie er sollte. Uebrigens habe ich in der Nacht vom 24. zum 25. Heidi im Traum auf dem Arm getragen; ob sie das noch weiss? Wie bist Du denn über die Festtage hinweggekommen? Dein Programm incl. Gänsebraten war ja nicht schlecht oder ist es so
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