Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
viele liebe Grüße und Süße
Deine Leni und Heidi.
Viele Grüße von Allen.
Leipzig, den 12.1. 1946
Mein lieber alter Strolch!
Ich weiß schon wieder nicht mehr, was mein letzter Brief für eine Nummer hatte, aber ich will hoffen, daß Dich auch so alle Briefe erreicht haben. Heute danke ich Dir für Deinen lieben Silvesterbrief, den ich gestern erhalten, und über den ich mich sehr gefreut habe. Auch vielen herzlichen Dank für die beigelegten 15 M. Das Stäbchen konnte ich leider nicht genießen und kein Urteil abgeben, da es nämlich gar nicht mehr darin war. Es war unten eine kleine Ecke aufgeritzt und wahrscheinlich herausgeholt worden. Es ist aber das erste Mal, daß das passierte. Die anderen dreimal habe ich sie den Briefen immer entnommen, und mich sehr darüber gefreut, was ich Dir ja auch jedesmal geschrieben hatte. Heute sind die Eltern ins Kino, Heidi liegt schon seit ¼ 7 Uhr im Bett, da ich sie zu Mittag nicht hingelegt hatte, und ich habe eben fürstlich gespeist. Röstbrot mit Cornedbeef und Malzbier. Ganz prima! und habe ich ja auch Dir den Genuß zu verdanken. Nun geht es wohlgestärkt an die Schreiberei. Und nun zu Deinem lieben Brief. Du hast ja ein ziemlich einsames Silvester gefeiert, kleiner Mann, aber ich denke, daß es wirklich das allerletzte ist, was wir getrennt verleben. Es tut mir so leid, daß auch mein Weihnachtsbrief nicht pünktlich bei Dir eingegangen ist, Du solltest doch nicht ganz allein dort sein. Aber nun können wir es ja auch nicht mehr ändern, und gefreut hast Du Dich vielleicht auch so noch. Von Gretel hab ich seit ihrem letzten Brief wohl vom 4.11. nichts wieder gehört. Sie schrieb mir damals, daß Tonis Schwägerin Toni mit nach Wien nimmt, und wollen sie versuchen, Gretel auch noch mit frei zu bekommen. Wenn sie wirklich mit nach Wien ist, kann sie ja auch nicht schreiben, denn von Österreich ist der Postverkehr nach dem Reich gesperrt. Weißt Du, so sehr abgemagert bin ich nicht mehr, ich fange schon wieder an Fett zuzusetzen, aber manchmal ist es doch verdammt wenig. Im Monat Dezember haben wir Nichtarbeitende (Hausfrauen) 50 Gramm Butter bekommen. Allerdings etwas Öl mit. Man muß doch eigentlich immerzu meckern. Im Frühling und Sommer war es doch viel schlechter, und wären da froh gewesen wenn man wenigstens etwas regelmäßig bekommen hätte. Man vergißt das aber so leicht. Im Durchschnitt bekommen wir die Woche 100 Gramm Fleisch (Nichtarbeitende). Heute haben sie es mal mit uns gut gemeint, da haben wir die restlichen Fleischmarken der Dezemberkarte nachgeliefert bekommen. Ich bekomme da mit Heidi 400 Gramm Fleisch, und Vater und Mutter über 800 Gramm, da Vater Arbeiterkarte bekommt. Du, mal ’ne Frage, gibt es dort nicht Kaffee zu kaufen? Mutter hat schon paar mal welchen genommen, das Viertel zu 135 M. Ist er dort billiger? Sonst gibt es hier leider nichts schwarz zu kaufen. Du, Quark möchte ich auch mal wieder haben. Wir bekommen im Monat ein Viertelpfund. Wäre es nicht möglich, wenn Du kommen solltest, etwas Quark mitzubringen, da könnte ich einen schönen Quarkkuchen mal backen. Das macht sehr viel aus, wenn Du so viel Quark verdrückst, nutze das nur tüchtig aus. Woher bekommt Ihr denn den? Die große Wurstdose lebt immer noch, und bleibt sie auch so lange stehen, bis Du daheim bist. Mit dem Geld komme ich gut aus, das hatte ich Dir schon geschriebe 2) n, trotzdem daß mir die Unterstützung auf 42 M mit Kind gedrückt worden ist. Ach Du, weißt Du, daß sie uns Untermieter reinsetzen wollen? Vor Weihnachten bekam ich und auch Vater eine Zuweisung, daß wir jeder ein Zimmer abgeben sollen. Ich glaubte nur an einen Irrtum. Vater war dann drüben im Plagwitzer Rathaus, und stimmte es schon. Vater ist gestrichen, weil er zu Hause arbeitet, und ich brauchte mit dem Kind nur einen Raum und einen müsse ich abgeben. Bis 31.1. ist es gestundet, und wenn Du kämst, wäre es auch hinfällig. Die sollen mir wirklich kommen und mich dann kennenlernen! Unverschämtheit. Ich denke, für die Zigaretten bekommt man hier vier Mark fürs Stück, der Mangel ist hier stärker als in der englischen Zone. Du, mit Deinen 500 Mark auf Deinem Buch hab ich immer ein schlechtes Gewissen. Die 500 hat doch Vater seinerzeit für Dich auf Dein Buch gezahlt. Ich hab noch gar nichts gesagt, daß wir schon abgehoben haben, aber das Geld ist noch hier. Was soll ich machen? Unser Radio ist wieder in Reparatur. Hoffentlich klappt es diesmal. Aber die Leute
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