Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
zufriedenzustellen, und hat die ernste Zeit ja nicht gespürt. Hauptsache, daß wir uns immer lieb haben, und hoffentlich recht bald wieder für immer zusammen sind. Unsere Hochzeitsreise kommt einem doch bald wie ein ferner ferner Traum vor. Ob Du vielleicht mal durch den Schweden Post von Rydbergs bekommst?
Und nun zu Brief Nummer 7. Es tut mir so sehr leid, daß Du die Feiertage ohne ein Lebenszeichen von uns warst, aber glaube mir, meiner Berechnung nach habe ich ihn wirklich zur Zeit abgeschickt. Hoffentlich hast Du nicht allzu lange mehr darauf warten müssen und hast Dich trotzdem noch ein bissel darüber gefreut. Über Euren Fall gibt es doch gar nichts zu diskutieren. Man muß sich doch da nun mal mit den Tatsachen abfinden. Aber sag mal, besteht da eine bestimmte Zeit, die Ihr Euch gemeldet habt?
Heute kam auch eine Karte von einem Kameraden. Ich nehme an, daß er mit Dir irgendwo in einem Lager beisammen war, aber einmal und hoffentlich nicht allzu fern, wird auch der Tag kommen, wo Du wieder bei uns sein kannst, und dann werden wir unser Beisammensein erst richtig zu schätzen wissen. Am Heiligen Abend hast Du Dich ja pünktlich umgeschaltet, denn um 6 Uhr haben wir unser Bäumchen angezündet. Nächstes Jahr sind wir bestimmt beisammen. Ich verstehe nicht, daß es bei Euch noch so nach alten Soldatenregeln zugehen kann. Hier ist alles Militaristische verpönt und verboten und bei Euch im Lager herrscht wohl immer noch der alte Geist. Daß es ein großer Reinfall war, hatte ich mir denken können, und trotzdem hätte ich Euch von Herzen gegönnt, wenn es ein bißchen schön und festlich gewesen wäre. Ich glaube Dir gern, daß Du Dich über Dein Päckchen sehr gefreut hast, es enthält ja außer dem Buch wirklich lauter nützliche Sachen. Siehst Du, da sind wir doch am Heilig Abend ganz nah verbunden gewesen, denn ich habe ja um 9 Uhr angefangen Dir zu schreiben. Hoffentlich hast Du diesen Brief bekommen. Das erste Feiertagsessen hat da ja viel wettgemacht, und freue ich mich da sehr für Dich. War doch wenigstens etwas festliches. Ja, weißt Du, wenn man hier eine Zigarette kauft, so werden vier bis fünf Mark fürs Stück geboten. Aber meist gibt es keine, denn wo sollen die herkommen? Das Paket Kuchen wird wohl für Dich auch nicht so ohne gewesen sein, hoffentlich hast Du Dir nicht den Magen verdorben. Am zweiten Feiertag hast Du ja mächtig gearbeitet. Sag, mußte denn das alles gerade Weihnachten sein? Kleiner Mann, warum wirst Du so ironisch, daß ich nun außer der Reihe einen Brief beantworten muß? Was kann ich für die unregelmäßige Beförderung? Geht es mir nicht oft auch so? Eins mußt Du doch wissen, unsere Gedanken sind täglich, ja man kann bald sagen stündlich bei Dir. Und mit dem Heidikind erzähle ich so oft von Dir. Abends schlafe ich dann immer mit den Gedanken an Dich ein. Aber man kann ja auch mal schreiben, wenn es einen drängt und man sich gern was von der Leber runter schreiben möchte, auch ohne daß ein Brief zu beantworten ist. Aber ich kenne das Gefühl ja auch, man wartet täglich, und ist doch immer enttäuscht, wenn nichts kommt.
Gestern war ich mit Heidi bei meinen Eltern zum Mittagessen eingeladen. Rohe Klöße und Hammel. Am Sonnabend war ich mal wieder im Kino ‘Der Engel mit dem Saitenspiel’. Regie Rühmann, und hat mir ganz ausgezeichnet gefallen. Heute haben Mutter und ich unsere Wäsche fortgebracht, in die Waschanstalt. Wir bekommen sie sogar schrankfertig wieder. Zankst Du da, daß wir es uns so bequem machen? Im März, wenn man wieder draußen trocknen kann, wasche ich wieder selber.
Eben kommen die Eltern von Schramms. Onkel Max muß morgen in den A.T.G. 5) anfangen. Onkel Ernst (Kroll) schon heute. Für die Russen drei bis vier Wochen arbeiten. Morgen gehen sie in den ‘Freischütz’. Ich will morgen früh mal mit Heidi zu Frau Dr. Weise gehen, weil Heidi immer noch gar so sehr hustet. Vor allem nachts. Letzte Nacht habe ich ihr wieder heiße Milch gegeben. Aber sonst fühlt sie sich wohl. Ich glaube Du wirst sie bald gar nicht wieder erkennen, so groß ist sie geworden. Bald ein Jahr hast Du sie ja nicht gesehen. Neulich kam sie in die Küche: “Ich könnte doch gleich verrückt werden.” “Nanu, warum denn?” frug Mutter. “Ich könnte doch gleich verrückt werden”, und schon schob sie wieder zur Küche raus.
Und nun will ich für heute wieder schließen kleiner Mann. Bleib gesund und behalt uns lieb wie wir Dich lieb haben, und nimm
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