Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Dienstreise hast Du ja wirklich Pech gehabt, armer Kerl, wenn was daneben geht, dann auch alles. Immerhin hat es Dir wenigstens etwas eingebracht, und wenn es auch nur zwei Blasen sind.
Für heute will ich nun mal wieder schließen. Bleibe gesund und behalt uns lieb, und sei nicht böse wenn ich schon schließe, aber hier komme ich nur nach 8 Uhr zum Schreiben, denn Tante Emma hat immer Wünsche.
Nun nimm 1000 liebe Grüße und einen Kuß
von Deiner Leni und Heidi.
Viele Grüße von Mutti und Papa.
Oschatz, den 29.1. 1944
Mein lieber alter Stromer!
Nachdem ich nun vergeblich die ganze Woche auf Post gewartet habe, trafen nun heute gleich zwei Briefe von Dir ein, und habe ich mich darüber sehr gefreut. Meiner Ansicht nach habe ich nun doch alle Briefe von Dir erhalten, kleiner Mann, und Du doch meine hoffentlich auch. Heidi ist nun wieder vollkommen auf der Höhe. Husten und Schnupfen, alles weg. Sie fängt jetzt langsam an frech zu werden, und auch ziemlich rabiat. Du solltest sie mal sehen wenn sie mit Walters zwei Kindern zusammen ist. Dem Jungen, fünf Jahre alt, will sie alles wegnehmen, was er gerade in der Hand hält, und der läßt es sich natürlich nicht gefallen. Heidi läßt nicht locker und hält krampfhaft fest, und quiekt dabei wie ein Ferkel. Mit dem Mädchen, drei Jahre alt, macht sie erst recht, was sie will, drückt sie in eine Ecke, haut sie, und streichelt und drückt sie aber gleich hinterher. Und das Mädchen läßt alles mit sich geschehen. Christian, der Junge, baut eifrig Flieger aus Holz, also mußte ich Heidi auch solch einen Flieger bauen, mit dem sie dann vergnügt durch die Gegend schwirrt. Mit seinem kleinen Hammer hantiert sie rum wie ein Alter. Hätte doch eigentlich ein Junge sein müssen. Gestern Abend wurde unser Kerlchen mit einem Mal bockig, und schlug die Mutti plötzlich ins Gesicht. Ohne ein Wort habe ich ihr ein paar tüchtige auf die Finger gegeben, sie wortlos ausgezogen und ins Bett gelegt. Dort hat sie lange geweint, und als ich dann mal rein ging, schluchzte sie: “Gut sein Mutti, Kussel geben”. Dann habe ich ihr den Gutenachtkuß gegeben und es war gut. Heute Abend habe ich sie mal in eine große Wanne gesetzt und gebadet, und hat sie sich dabei sehr wohl gefühlt. Hoffentlich kommt nun kein Alarm, das wäre weniger schön. Vorgestern und vergangene Nacht war ja wieder Alarm, und müssen sie ja in Berlin unglaublich gehaust haben. Wann kommt die Vergeltung, kleiner Mann. Man könnte doch bald wieder pessimistisch werden. Vorgestern wars ganz schlimm, da war 40 Minuten ein ununterbrochenes Fliegergedröhn in der Luft, daß es einem himmelangst werden konnte. Heinz hat immer das besondere Glück Angriff auf Berlin zu haben, wenn er gerade dort ist. Heute will er ja zurück. Vorausgesetzt, daß er weggekommen ist.
Das Wetter ist hier genauso mies wie bei Euch. Dauernd Regen und Sturm. An Frau Ziemer habe ich noch nicht geschrieben, will es aber in den nächsten Tagen nachholen. Deinen Kippentabak habe ich doch in Leipzig vergessen. Bist Du da sehr böse? Kommende Woche muß ich aber wieder nach Hause, und mache ich es da bestimmt fertig, auch die Batterien mit. Deinen Hohn wegen der Straßenbahn kannst Du lassen, sie fährt Sonntag wirklich, allerdings durch die Stadt noch nicht. Die 4 fährt aber jetzt bis Engelsdorf, und die 15 von Lindenau bis Meusdorf. Ist doch schon ein ganz schöner Fortschritt oder nicht? Weißt Du, vor dem Frieden bangt mir nicht, d.h. wenn es ein wirklicher Frieden ist und wir den Krieg doch noch gewinnen. Wenn auch alles kaputt, die Hauptsache, wir sind noch beieinander, und die Gewissheit, jetzt ist das Morden vorbei. Alles andere kommt dann von allein wieder. Freilich, die Jahre kann uns keiner ersetzen. Aber wir wollen nicht klagen, wenn es nur gut geht. Weißt Du, wegen Bad Elster hast Du gut reden. Ich traure da keinem Geld nach bei so was, das solltest Du wissen, auch daß ich überhaupt kein gespartes Geld habe, weil man eben immer mal was zuschustert. Trotzdem glaube ich bestimmt, daß es was wird. Weißt Du, ich glaube kaum, daß meine Eltern die Schrecken der Terrornacht jemals vergessen können, und auch wenn man sie trösten wollte auf eine bessere Zukunft, sind doch nur leere Worte. Augenblicklich sind ja beide wieder sehr zuversichtlich, weil Aussicht auf eine Wohnung in Holzhausen besteht. Halte den Daumen, daß es klappt. Ins Kino bin ich bis jetzt noch nicht wieder gekommen, aber ich glaube kaum, daß Du
Weitere Kostenlose Bücher