Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Aber ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, dass sich der Krieg noch dieses Jahr entscheidet und damit das Ende des Krieges auch da ist und das ist doch die Hauptsache. Wegen Bad Elster hatte ich Dir in meinem letzten Brief wegen der NSV geschrieben und glaube ich bestimmt, dass Du dort mit Erfolg auf einen Zuschuss rechnen kannst. Ich bin wirklich froh, wenn ich Dich erst dort weiss und Du etwas Positives gegen Dein Rheuma tun kannst. Und gleichzeitig habt Ihr mal Ruhe vor den Fliegern. Mit den Eltern hast Du recht, sie werden nie ihr Heim und die Schreckensstunden vergessen, aber man muss ihnen wenigstens Stunden des Vergessens und Ablenkens bereiten und auch ich wünsche ihnen, dass es wieder mit einer eigenen Häuslichkeit für sie klappt, sodass das Abhängigkeitsgefühl bei ihnen verschwindet. Du kannst mir schon glauben, dass ich Gewissensbisse habe, wenn ich mal ausgehe, denn dazu denke ich viel zu sehr an Euch, aber es ist auch gewissermassen eine Flucht vor den eigenen Gedanken, weil man in dieser Zeit abgelenkt wird. Ich wünschte nun, dass Ihr auch öfters gehen könntet, denn das ist ja für Euch das einzige Vergnügen, das Ihr noch habt. Was damals mit dem Spiess los war, weiss ich auch nicht genau, er läuft jetzt wenigstens schon 14 Tage wie ein gereizter Stier herum, aber mich kann er nicht erschüttern. Nun mal wegen der Geldfrage. Mutter darf auf Postanweisung nicht mehr als 200.– M schicken, am liebsten wäre es mir, wenn alles per Brief käme, dafür habe ich nämlich meine Gründe. Ich werde ihr deshalb nochmals schreiben. Das Risiko muss eben mit in Kauf genommen werden und zwar von jedem selbst. Dass Du Dir die Butter geleistet hast, finde ich vollkommen in Ordnung und kenne ich ja den guten Butterappetit unseres kleinen Kerlchen. Wie hat ihr nun denn das erste weich gekochte Ei geschmeckt? Das Paket mit Füllern, Batterien, vier Pfund Mehl und zwei Broten habe ich schon angefangen zu packen, vielleicht kann ich noch eine Tüte Gebäck für Dich und Heidi ergattern und dann schicke ich es übermorgen weg. Am Freitag fahre ich nach Utrecht, evtl. nach Soesterberg und über Zwolle zurück. Da werde ich mich nach dem Pelzbesatz u. nach Käse umtun, halte dafür den Daumen. Morgen will ich baden fahren und am Abend in ‘Wen die Götter lieben’, soll wirklich sehr gut sein. Von Mutter traf auch ein Brief ein, sie sind ja heute bei Elli. Mutter hatte einen Brief von Tante Berta beigelegt, die Elli besucht hat. Sie ist wirklich über ihr Aussehen erschrocken, aber sie hat sie auch lange nicht gesehen. Ich bin wirklich gespannt, was Mutter schreibt und hoffe nur, dass sie sich darüber nicht zu sehr aufregt. Tante Selma hat eine schwere Augenentzündung, so dass auf Onkel Karl die ganze Arbeit lastete. Ja, überall nur Sorgen, wenn nur mal die Menschheit wieder Ruhe finden würde. Jetzt will ich nun endlich an den Meester und Helenchen schreiben, sonst schimpfen sie zu sehr über meine Faulheit.
Kleine Frau, nun zum Schluss viele liebe Grüsse und Küsse, drück Heidi von mir und vergiss nicht
Deinen Dichliebenden Hans.
Oschatz, den 2.2. 1944
Mein lieber Hans!
Eigentlich hatte ich heute auf Post von Dir gerechnet, und war ein bissel enttäuscht. Na, da wird vielleicht morgen ein Brief von Dir eintrudeln. Hast Du immer noch so sehr viel zu tun oder hat sich die Arbeit unterdessen ein bissel gelichtet? Heute sind Vater und Mutter nun bei Elli gewesen. Hoffentlich hat es Mutter nicht zu sehr aufgeregt, denn Tante schrieb, dass Elli immer weniger würde. Da ist es gut, daß wenigstens Vater mit ist. Am Freitag kommen sie zurück und wollen da die Fahrt in Oschatz unterbrechen um mal ihr Heidikind zu besuchen. Das ist dann vielleicht wieder ein kleiner Lichtblick für Mutter. Je nachdem ob Mutter Lebensmittelmarken für mich mitbringt oder nicht, fahre ich Sonnabend Sonntag mal nach Hause, vielleicht ist Papa bis dahin eingetrudelt, seit Montag will er ja schon kommen. Vielleicht erledigen sie erst den ganzen schriftlichen Kram, damit der Papierkrieg endlich mal aufhört. Am Sonntag, zum 11. Jahrestag, hatten wir hier zweimal Alarm, mittags und abends. Die armen Berliner sind ja überhaupt nicht zur Ruhe gekommen, und muß es dort wüst aussehen. Am Sonntag war hier auch ein Aufmarsch, und bin ich mit Heidi mal hingegangen, von wegen der Musik. Unser kleiner Kerl war restlos begeistert. Am Nachmittag war ich mit ihr dann ein Stück spazieren, und da ging es bei ihr immer:
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