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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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In ihrer Vorstellung hatte sie dafür viel mehr Worte gebraucht.
    »Haben Sie professionelle Hilfe in Anspruch genommen?«
    »Ich für meinen Teil brauche keine, und meine Partnerin …«
    Nele ließ den Satz unvollendet, weil Matteo in diesem Moment das Frühstück brachte. Schweigend ließen sie ihn auftischen, bedankten sich und tranken dann beide erst einmal von dem Kaffee.
    »Frau Rossberg benötigt Ihrer Meinung nach Hilfe, lehnt sie aber ab«, half Dr. Sternberg ihr aus.
    Nele nickte. »Für alle anderen sieht es auch nicht so aus, als würde Anou Hilfe brauchen. Sie war damals schon tough und ist es heute umso mehr. Aber von denen kennt sie auch keiner so gut wie ich. Sie müssen wissen, wir sind zusammen, waren es damals schon.«
    »Das macht die Sache nicht einfacher«, sagte Frau Sternberg, ohne auch nur mit einem Wimpernschlag Neles lesbisches Verhältnis zu Anou zu kommentieren. »Hat Ihre Partnerin sich zurückgezogen?«
    »Nein … Vielleicht doch, ich kann das gar nicht so genau sagen. Damals, als das alles passierte, waren wir frisch verliebt und seitdem … Ich weiß nicht, ich glaube nicht, dass ich sie seither besser kennen gelernt habe … Aber worauf ich eigentlich hinauswill: Seit einigen Monaten setzt sie sich jeder Gefahr aus, die es nur gibt, ist risikobereit bis zur Dummheit. Sie geht dauernd allein los, hat mit Felskletterei angefangen, geht keinem Streit aus dem Weg … Vor zwei Wochen hat sie auf einer privaten Party einen Kollegen geschlagen. Der war betrunken und hat sie angegrapscht. Früher hätte sie so einen lächelnd stehengelassen. Und bei Einsätzen geht sie immer als Erste rein, auch wenn die Situation noch nicht geklärt ist.«
    »Frau Karminter«, begann Dr. Sternberg nach einer kurzen Pause, in der sie beide begonnen hatten, ihre Brötchen mit Butter zu bestreichen. »Sie werden verstehen, dass sich so etwas kaum per Ferndiagnose einschätzen lässt, dafür sind persönliche Gespräche notwendig …«
    »Ja, ich weiß schon, ich wollte ja auch nur eine erste Einschätzung hören … Ich weiß mir einfach nicht mehr zu helfen. Früher oder später wird sie sich in eine Situation bringen, die sie überfordert.«
    »Ich verstehe Sie. Und so, wie Sie es mir beschreiben, leidet Frau Rossberg wahrscheinlich unter einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung. Häufig äußert sich eine solche Störung in Vermeidungsverhalten, aber es gibt auch Fälle, in denen es genau anders herum verläuft. Das hängt ganz stark vom Charakter der Betroffenen ab. Frau Rossberg hat die Situation damals überstanden, hat sogar ihren Peiniger getötet und ist als Heldin gefeiert worden. Natürlich haben die Erlebnisse während der Entführung aber ihre Spuren hinterlassen. Achten Sie mal auf Schlafstörungen, Reizbarkeit, vielleicht erhöhte Herzfrequenz im Ruhezustand …«
    »Schlafstörungen!«, sagte Nele. »Sie schläft kaum noch eine Nacht richtig durch.«
    Frau Sternberg nickte. »Sie versucht eventuell, ihre Ängste durch erhöhte Risikobereitschaft zu kompensieren. Möglichweise muss sie sich beweisen, jeder Situation gewachsen zu sein, um nicht an ihren Ängsten zu zerbrechen, nur …!«
    »Nur was?«
    »Kein Mensch hält so ein Verhalten lange durch. Diese extreme Form der Kompensierung führt zwangsläufig zu psychischer Instabilität.«
    Neles Handy vibrierte. Sie zog es aus der Hosentasche und warf einen Blick auf das Display.
    »Entschuldigen Sie bitte kurz«, sagte sie und nahm das Gespräch entgegen.
    »Hi, ich bin’s«, meldete sich Anou.
    Im Hintergrund hörte Nele Fahrgeräusche. »Bist du nicht mehr im Krankenhaus?«
    »Nein. Ich bin unterwegs zu einer Ortschaft namens Bruchhausen. Irgendwo dort in der Nähe ist die Frau dem Täter entkommen – sie hat ihm übrigens in die Eier getreten. Richtig cool, die Frau.«
    »Bist du allein?«
    »Wer sollte sonst noch dabei sein?«
    Nele seufzte, schloss die Augen, überhörte den kaum versteckten Vorwurf und rieb sich mit der freien Hand die Schläfe.
    »Anou«, begann sie, »was soll das? Du weißt, dass du nicht allein rausfahren sollst. Was, wenn der Täter dich beobachtet?«
    »Mein Gott, Nele! Ich will mir doch nur die Örtlichkeiten ansehen. Ist doch nichts dabei. Außerdem hat der Typ den Schwanz eingezogen – im wahrsten Sinne des Wortes. Der ist längst über alle Berge.«
    »Das weißt du nicht, und ich halte es nicht für klug …«
    »Du, ich muss Schluss machen. Ich melde mich.«
    »Anou …!«
    Aber

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