Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod
Meter tief, aber so breit wie das Gebäude. An der gegenüberliegenden Wandseite war ein hohes Regal angebracht; es war leer. Gleich neben der Tür befand sich ein grauer Metallkasten. Anou vermutete dahinter die Elektrik und öffnete ihn. Sie hatte sich nicht getäuscht, es war ein Schaltschrank. Der Hauptschalter war nach unten gekippt. Sie drückte ihn kurzerhand in die obere Position.
In der Halle flammten unter der Decke montierte Leuchtstoffröhren auf, und irgendwo begannen sich Lüfter zu drehen. Außerdem fiel im selben Moment die Außentür, die sie doch mit einem Holzklotz gesichert hatte, donnernd zu.
Anou erschrak, schnellte aus dem Lagerraum und zielte über die Boxen hinweg in Richtung Ausgang.
Jemand lief zwischen den Boxen entlang.
»Polizei. Stehen bleiben!«
Ihre Stimme hallte gespenstisch wieder.
Plötzlich eine Bewegung rechts von ihr, nein, links … Überall. Was war hier plötzlich los?
Sie entsicherte und schoss. Das Projektil schlug irgendwo gegen eine Wand und heulte als Querschläger durch die Gegend. Instinktiv ging Anou hinter einer Boxenwand in Deckung. Eng an die kalte Wand gepresst, hielt sie die Waffe mit dem Lauf nach oben dicht neben ihrem Kopf und atmete den intensiven Geruch des Schießpulvers ein. Ihr Herz raste. Sie lauschte, konnte aber nichts hören. Kein noch so leises Geräusch. Nichts.
War da überhaupt jemand?
Aber die Tür! Jemand hatte den Holzklotz entfernt!
Ein paar Minuten verharrte Anou in dieser Position. Während sich ihr Herz beruhigte und sie nichts mehr weiter gehört hatte als dessen Wummern, schob sie sich vorsichtig hoch und lugte über den Rand der Boxenmauer hinweg.
Niemand da.
Was hatte sie gesehen?
War da wirklich eine Bewegung gewesen, oder wieder einmal nur Karels Schatten, den sie scheinbar niemals wieder loswerden würde? Hatte der Wind die Tür zugeschlagen?
Sie richtete sich ganz auf. Dabei fiel ihr Blick in die hinterste, jetzt deutlich ausgeleuchtete Schweinebox.
Riesige Augen starrten sie an.
Und ein zum Schrei weit aufgerissener Mund entblößte gewaltige Zähne.
»Es tut mir leid, mein Schatz. Komm her, ich mach es wieder gut.«
Nicola fühlte sich wie in einer Traumwelt gefangen. Geräusche, Gedanken und Gefühle zogen wie Nebelfetzen an ihr vorbei und hinterließen nicht mehr als einen vagen Geruch und Geschmack auf ihren Sinnen. Alles, was um sie herum geschah, war gleichgültig und bedeutungslos. Nichts davon ging sie etwas an, denn es konnte ihr nicht gefährlich werden. Watte füllte ihren Kopf aus und bettete ihre Gedanken weich. Stunden waren seit dem Zwischenfall im Bad vergangen, ohne dass sie sagen konnte, was in dieser Zeit geschehen war oder wo sie sie verbracht hatte.
Ihr Mann griff nach ihrer Hand, zog sie hoch und führte sie über einen schmalen Gang, der ihr gleichzeitig bekannt und fremd erschien. Am Ende des Ganges füllte warmes Licht einen Türrahmen aus wie eine Einladung ins Jenseits. Sie meinte sogar, sphärische Musik wahrzunehmen.
»Komm mit mir, und ich mache alles wieder gut.«
Seine leisen Worte waren wie die Luft, die sie umgab: überall zugleich, überall gleich intensiv, und mit jedem Atemzug sog sie sie tief in sich ein, bis sie zu der tröstenden Wahrheit wurden, nach der sie sich verzehrte.
Ab jetzt würde alles gut werden! Er hatte es ihr so oft versprochen, und sie hatte immer gewusst, dass sie nur lange genug warten musste, damit es in Erfüllung ging.
Also tauchte sie an seiner Hand ein in das warme Licht, ließ sich zum Bett führen und darauf niederdrücken. Sie trug wieder einen leichten Hausanzug, und er brauchte nur wenige Sekunden, um ihr nacheinander Hose und Oberteil auszuziehen. Geschickt und geschmeidig bewegten sich seine Hände, und sobald er ihre nackte Haut berührte, zuckte sie zusammen und erschauerte.
Natürlich bemerkte er die Reaktionen ihres Körpers.
»Darauf hast du gewartet, mein Schatz, nicht wahr.«
Nicola sank in die Kissen zurück und ließ sich ihr Höschen abstreifen. Mit weit offenen Augen blinzelte sie zur Decke empor, die ihr unendlich weit entfernt erschien. Die Trägheit und der rauschhafte Zustand in ihrem Kopf erleichterten es ihr heute zu tun, was sie immer tat, wenn ihr Mann alles wiedergutmachen wollte.
Sie verließ ihren Körper.
Es war leicht. Es war wie fliegen, sie fühlte sich schwerelos und heiter. Dort hinten, in der schützenden Ecke zwischen Kleiderschrank und Wand, war ihr Platz. Dort presste sie sich hinein, machte sich ganz
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