Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod
sich. Endlich die Information, die sie so dringend benötigten.
»Schießen Sie los.«
»Daniela Gerstein. Achtzehn Jahre alt. Vor einem Monat als vermisst gemeldet. Wohnhaft in Beckedorf.«
Er gab die Adresse durch, und Nele schrieb mit.
»Wie haben Sie es herausgefunden?«, fragte sie dann.
»Ohne das zahnärztliche Gutachten wäre es nicht so schnell gegangen, außerdem liegen die Röntgenbilder einer Oberarmfraktur aus dem Jahre 2006 vor. Ihre Kollegen haben äußerst gründlich gearbeitet«, sagte Quandt.
Nele bedankte und verabschiedete sich, dann setzte sie Anou ins Bild.
»Fahren wir also zu den Eltern?«, fragte diese.
Nele nickte. »Auf jeden Fall!«
Sie gab Gas. Mit den Eltern zu sprechen hatte oberste Priorität! Natürlich würde es ein unangenehmes, belastendes Gespräch werden, aber mit ein bisschen Glück würde es ihnen auch die Informationen verschaffen, die sie benötigten, um Miriam Singer vor dem zu bewahren, was Daniela Gerstein leider hatte erleben müssen.
Vorausgesetzt, sie schafften es zurück in die Stadt!
Keine zweihundert Meter vom Hof entfernt sah die Welt plötzlich ganz anders aus.
Wie geisterhafter Nebel trieb der vom Sturm aufgewirbelte Schnee über Felder und Straßen. Eine bewegte weiße Masse, die scheinbar mit aller Macht auf ein Ziel zustrebte. Und es schneite immer noch weiter. Der Schnee klebte an allem: an Schildern, Bäumen, Häusern und Autos. Innerhalb weniger Stunden war die Welt in Weiß versunken, und so sehr die Räumdienste sich auch anstrengten, gegen Xynthias Naturgewalt kamen sie nicht an. An exponierten Stellen türmte der Sturm gewaltige Schneewehen auf.
Auf der Hinfahrt waren sie hinter einem Schneepflug hergefahren und hatten die Strecke zwar langsam, aber ohne Probleme bewältigt. Danach sah es jetzt nicht mehr aus. Dass sich der Schnee in der kurzen Zeit erneut so hoch auftürmen würde, hätte Nele nicht für möglich gehalten.
»Mist!«, sagte sie. »Hat sich das Wetter jetzt auch noch gegen uns verschworen?«
Anou warf ihr einen Blick zu. »Wieso auch? Wer hat sich sonst noch gegen uns verschworen?«
Nele zuckte mit den Schultern. »War nur so dahergesagt. Aber wenn das … Vorsicht!«
Sie trat hart auf die Bremse. Ein Fehler!
Die Schneewehe hatte sich in dem weißen Nebel versteckt und war erst in letzter Sekunde aufgetaucht. Vielleicht hätten sie es hindurchgeschafft, wenn Nele Vollgas gegeben hätte, so aber blieb der Passat stecken.
Nele fluchte laut und schlug mit der Hand aufs Lenkrad. Dann schaltete sie abwechselnd zwischen Vorwärts- und Rückwärtsgang, gab dabei aber zu viel Gas. Die durchdrehenden Reifen polierten den Schnee zu Eis, bis nichts mehr ging. Weder vor noch zurück.
Nele wollte nicht aufgeben, wollte unbedingt zurück in die Stadt, um mit den Eltern zu sprechen, deshalb rammte sie immer wieder die Gänge ein, bis Anou ihr Handgelenk packte.
»Nele … lass es«, sagte sie. »Das hat doch keinen Sinn. Wir sitzen fest.«
Nele starrte sie aus geweiteten Augen an. Schweiß stand ihr auf der Stirn. Sie spürte Wut in sich aufsteigen, weil Anou scheinbar so ruhig war.
Kapiert sie denn nicht, was davon abhängt, den Täter so schnell wie möglich zu finden?
Sie stieß die Tür auf.
»Dann graben wir die Scheißkiste eben aus.«
Schon war sie draußen und sackte bis zu den Knien im Schnee ein. Der Wind schlug ihr heftig ins Gesicht, sofort konnte sie nichts mehr sehen und kaum noch atmen.
»Komm wieder rein!«, rief Anou.
Nele drehte den Rücken in den Wind und starrte den Wagen an. Die Reifen steckten bis zur Hälfte im Schnee, die Radkästen waren voll davon, das ganze Auto schien darin zu schwimmen.
Keine Chance , schoss es ihr durch den Kopf.
Mit Tränen der Wut in den Augen kapitulierte sie und kämpfte sich in den Schutz des Wagens zurück. Sie zog die Tür zu und konnte wieder sehen und atmen. Schnee klebte in ihren Haaren und auf den Wimpern.
»Ruf an«, sagte sie atemlos zu Anou. »Die sollen einen Wagen rausschicken, der uns abholt.«
»Und wie soll der hierherkommen? Wir hätten schon gar nicht fahren dürfen.«
»Ist mir egal. Wir müssen …«
Plötzlich erschien eine große schwarze Gestalt hinter Anou am Fenster der Beifahrertür. Nele zuckte erschrocken zurück und griff nach ihrer Waffe.
Anou bemerkte ihren Blick und drehte sich um.
Im selben Moment pochte die Gestalt auch schon gegen die Scheibe.
»Kann ich helfen?« Die dumpfe Stimme drang nur leise ins Wageninnere.
Nele hob ihre
Weitere Kostenlose Bücher