Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod
riechen zu können.
Jördis wich keinen Zentimeter zurück.
»Wenn ich nicht genau wüsste, dass dein Freund hier irgendwo ist, weißt du, was ich dann mit dir machen würde?«
»Nein. Was denn?«, fragte Jördis und hoffte, er würde es in Worte fassen. Schließlich zeichnete Alex das Gespräch auf.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
»In deinen schlimmsten Alpträumen besitzt du nicht annähernd genug Phantasie, um es dir auszumalen.«
»Wow!«, machte Jördis. »Wie poetisch. Schon mal versucht, ein Buch zu schreiben?«
»Du Fotze!«
Das sagte er sehr leise, und trotz aller zur Schau gestellten Coolness jagte seine Stimme ihr doch eine Gänsehaut über den Rücken. Sein Blick dauerte eine Ewigkeit an, und Jördis wusste, diese Augen würde sie niemals wieder vergessen. Er schien sie mit seinem Blick vergewaltigen zu wollen, und Jördis konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er tatsächlich in Bereiche ihres Körpers eindrang, in denen er nichts zu suchen hatte.
Für eine bissige Erwiderung war ihr Hals plötzlich zu eng. Sie spürte, wie ihr am ganzen Körper der Schweiß ausbrach.
Hoffentlich beobachten die anderen Gäste uns noch, dachte sie.
Schließlich richtete er sich auf, holte einen Fünfzig-Euro-Schein aus seinem Portemonnaie und warf ihn auf den Tisch.
»Behalt den Rest, du Nutte«, sagte er und verschwand.
Jördis sah ihm nach, und erst, als sich die Tür hinter ihm schloss, wagte sie wieder auszuatmen.
»Raus da, Alex, er kommt!«, warnte sie ihren Freund über das Mikrofon.
Alex hatte alle Zimmer im ersten Stock durchsucht. Jetzt stand er vor der schmalen Holzstiege, die ins Dachgeschoss des Hauses führte. Er stieg hinauf. An der einfachen, hölzernen Tür am Ende der Treppe war ein gelbes Plastikschild angebracht.
Privat. »Betreten verboten« stand in roten Lettern darauf.
Alex bückte sich und betrachtete das Schloss. Es würde ebenso leicht zu überwinden sein wie alle anderen Schlösser in dieser Bruchbude. Die Frage war, ob er noch genug Zeit hatte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass von seinen fünfundvierzig Minuten nur noch zehn übrig waren.
Er hatte viel Zeit damit verbracht, mit seinem Handy Fotos von sämtlichen Räumen, vor allem aber von dem Puffraum zu machen. In dem kleinen Nachtschrank neben dem Bett hatte er sieben ungeöffnete Packungen Kondome gefunden sowie Handschellen, einen Knebel und zwei Plastikdildos. Sexspielzeug an sich war ja nichts Ungewöhnliches, in dieser Konstellation ließ es Horst Schön jedoch noch zwielichtiger erscheinen, als er es ohnehin schon war.
Während Alex noch darüber nachdachte, ob er das Dachgeschoss inspizieren sollte, tat sich bei Jördis etwas.
Er hielt inne und lauschte.
In diesen Sekunden begann Horst Schön zu lesen.
Verdammt, das war zu früh!
Zehn Minuten maximal, mehr standen ihm jetzt nicht mehr zur Verfügung.
Alex lief die Treppe hinunter.
Zurück vor dem Schreibtisch, sah er, dass er gerade rechtzeitig kam; die erste DVD war voll. Er wechselte sie gegen eine neue aus.
Dann setzte er sich noch einmal auf den Drehstuhl und ließ seine Finger über die Tastatur flitzen. Während er sich ins Internet einloggte, entdeckte im Café del Sole Horst Schön, dass er verarscht wurde.
Jördis machte ihre Sache gut. Alex konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. So richtig wohl war ihm nicht dabei, sie praktisch als Köder einzusetzen, aber er wusste, dass ihr in dem gut besuchten Lokal nichts passieren konnte. Und sie hatte den Auftrag, drinnen zu bleiben, bis er sie abholte. Nicht einmal auf den Parkplatz hinausgehen durfte sie.
Alex rief die Seite von Lovers World auf.
Jeder angemeldete User dieser Seite schien über die IP-Nummer seines PC identifiziert, beim Betreten begrüßt und über den Stand der neuen Nachrichten informiert zu werden. Zum Abrufen der Nachrichten und zum Chatten musste man aber ein Passwort eingeben, ebenso, wenn man sich von einem fremden Rechner aus einloggte, wie Alex es zuhause getan hatte.
Blitzschnell baute sich die Seite auf und begrüßte ihn als Freedomwriter.
Horst Schön war Freedomwriter.
Er hatte sich in diesem Chat mit Daniela Gerstein unterhalten.
Alex zuckte zusammen, als Jördis plötzlich sehr laut ins Mikrofon sprach.
»Raus da, Alex! Er kommt.«
Er loggte sich aus und überprüfte den Brennstatus. Achtundsiebzig Prozent der Festplatte befanden sich bereits auf seinen DVDs. Für die letzten zweiundzwanzig Prozent prognostizierte das Programm eine
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