Bleiernes Schweigen
Inseln hin- und herschieben. Es beginnt in den Siebzigern und endet vor wenigen Jahren. Dann folgt nichts mehr.
Doch das ist nicht alles.
Nach demselben System hat meine Frau noch weitere Bankkonten gespeichert. Nummern, die Ferrarini nicht besaß und die auch in Di Donnas Unterlagen nicht zu finden sind.
Ich versuche, das seltsame Zahlen- und Kürzelgeflecht möglichst einfach darzulegen. Ich nehme ein Blatt Papier, mache eine Zeichnung und werfe dabei Andrea, meinem Vater und Daniele hin und wieder einen Blick zu. Die Enthüllung dieses kleinen Geheimnisses, hinter dem sich eine unbekannte Welt verbirgt, macht mir diebischen Spaß. Schließlich lege ich den Stift aus der Hand, trinke einen Schluck Wasser und sehe sie abwartend an.
»Ich wusste doch, dass ich da irgendwas nicht durchschaut habe«, sagt Daniele. »Mit Zahlen war ich noch nie besonders gut.«
Er blättert durch sein Notizbuch. Ich stelle mir vor, wie er vor Baldacci sitzt und diese Blätter mit seiner geraden, leserlichen Handschrift füllt, die keine Linien braucht.
Folge dem Geld, denke ich. Wenige Worte, die sich fast sofort wieder aus den Gedanken stehlen.
Er schlägt den Ordner mit der Kopie von Di Donnas Unterlagen auf und sucht etwas.
»Wir müssen versuchen zu unterscheiden«, hebt er an. »Di Donnas Unterlagen enthalten genug Material, um zehn Ermittlungen einzuleiten und bei keiner zu einem Schluss zu kommen. Es ist unmöglich, Belege finden. Alles basiert auf Erinnerungen, und für das Gesagte gibt es keine Beweise.«
Er blickt sich um, scheint sich seines Auftaktes nicht sicher zu sein. Schließlich fängt er noch einmal von vorn an.
»Es gibt drei Unternehmen, die es ins Visier zu nehmen gilt. Alle drei sind in Ferrarinis Schwarzbuch aufgeführt. Und über alle drei hat uns jemand etwas erzählt. Zuerst die Mercurio. Aus den Unterlagen geht hervor, dass es sich um ein Bauunternehmen handelt. Von der Baugrube bis zum Verkauf an private Kunden. Sie existiert vom Ende der Sechziger bis 1971. Sie kooperiert mit der BCM und bewegt eine ganze Menge Geld zwischen der Schweiz und Mailand. Ferrarini hat erzählt, wie es funktioniert, wer das Sagen hat, um wessen Geld es sich handeln könnte. Die Sache mit der Baustelle stinkt ganz offensichtlich nach organisiertem Verbrechen. Leiter des Unternehmens scheint Marsigli zu sein, der weder als Gesellschafter noch als Eigentümer eingetragen ist und sich je nach Bedarf als Vermittler oder Geschäftsführer geriert. Er bekommt den Raum, den er braucht, stellt seine Spekulation auf die Beine, vertickt ein paar Immobilien, andere vermietet er, behält die Sparte der Wohnanlage für sich und verkauft Anfang 1971 alles auf einen Schlag an unseren zweiten Riesen.
Der heißt Nazionale, ist sechs Monate zuvor entstanden, und auch von ihm liegen uns sämtliche Zahlen vor. Er existiert bis 1974 und kauft Maklerbüros, Güter und Baufirmen in ganz Italien, von der Nordlombardei bis ins Latium, mit ein paar Abstechern nach Sizilien. Häufig entstehen auf Strohmänner eingetragene Tochtergesellschaften, deren eigentliche Strippenzieher nicht auszumachen sind. Wir wissen nicht, welche Rolle Marsigli spielt, aber es gibt zwei Schweizer Finanzierungsgesellschaften. Nicht dieselben wie bei der Mercurio, aber dennoch eine bemerkenswerte Analogie. Wenn manüberdies bedenkt, dass beide eine Woche vor der Nazionale ins Leben gerufen wurden, lässt sich nur schwer an einen Zufall denken. Dann, im Jahr 1975, taucht die Danae auf, das Unternehmen, von dem Baldacci behauptet, die Cosa-Nostra-Gelder landeten dort. Und hier wendet sich das Blatt.«
Er gießt sich ein Glas Wasser ein und trinkt bedächtig.
»Wie verwaltet man Geld, ohne dass es jemand bemerkt? Durch Treuhandgesellschaften. Technisch gesehen verwaltet eine Treuhandgesellschaft etwas für einen Dritten. Dabei ist absolute Anonymität der Kernpunkt des treuhänderischen Deals. Die Danae ist unter zwei ausländischen Treuhandgesellschaften italienischer Banken aufgeteilt. Kein Name, nicht einmal ein falscher.«
Er blättert durch die Unterlagen.
»Sie schluckt die Nazionale und alles, was dazugehört. Binnen weniger Jahre kommt es zu einem Dutzend Kapitalerhöhungen, fast immer in bar. Ein Blick in die Konten genügt. Aus ein paar Milliarden werden fünfzig. Gelder gehen aus dem Unternehmen raus, werden in ein Dutzend verschieden hohe Teilbeträge aufgesplittet und fließen über die Konten anderer Unternehmen wieder in die Kasse, ohne dass nach außen
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