Bleiernes Schweigen
hin irgendetwas sichtbar würde. Innerhalb eines bestimmten Zeitraumes geht das Geld raus und kommt zurück, und manchmal ist es mehr geworden. Es gibt keine Belege, keine Unterlagen, nichts.«
»Und die Danae verschwindet.«
Adrianos Bemerkung entlockt Daniele ein Grinsen. Er nickt.
»Zusammen mit einem Dutzend anderer Firmen geht sie 1980 in der Perseo auf. Wenn ich so was vor Gericht behaupten würde, würden sie mich mit Fußtritten davonjagen. Und tatsächlich läuft das alles viel subtiler. Ende 1979 beginnt die Danae damit, ihr Eigentum zu veräußern, und das fast ausschließlich an kleine, häufig extra zu diesem Zweck gegründete Unternehmen. Oder an Private. Sie zerschlägt den Brocken inHunderte Splitter, verwandelt sie in Geld, und die Treuhandgesellschaften decken die, die es einstreichen. Anfang 1980 macht sie dicht. Ein paar Monate später werden die Bruchstücke der Danae zuerst vereinzelt und dann in immer rascherer Abfolge vom Universum eines neuen Unternehmens geschluckt, nämlich der Perseo. Im Verwaltungsrat taucht Marsigli auf, doch der Großteil des Gesellschaftskapitals untersteht immer noch den beiden Treuhandgesellschaften. Vorsitzender ist Luca Rossini, der zehn Prozent der Aktien innehat und sein Eigentum in der Toskana und in Umbrien in den Konzern einbringt. Es braucht einige Zeit, bis herauskommt, dass er die Mehrheit erworben hat. Doch das ist kein Verbrechen.«
Adriano streicht sich eine Strähne aus der Stirn.
»Legal gesehen gibt es keinerlei Berührungspunkte zwischen der Danae und der Perseo.«
Daniele nickt abermals.
»Und kaum kommt Marsiglis Vergangenheit ans Licht, schmeißt Rossini ihn raus. Dasselbe blüht jedem, bei dem es auch nur den leisesten Verdacht auf Beziehungen mit dem organisierten Verbrechen gibt. Der Faden endet bei der Danae, aber das ist nicht irgendein Fädchen. In Di Donnas Unterlagen findet sich ein interessantes Detail. Ein Jahr vor ihrer Gründung entsteht auf den Bahamas eine Zwillingsgesellschaft desselben Namens. Sie wird von einer Geschäftsbank der Galaxie Longo-Di Donna ins Leben gerufen, in deren Aufsichtsrat Männer sitzen, die der Freimaurerloge nahestehen. Sie existiert dreizehn Monate. Kurz vor dem Entstehen des italienischen Pendants verschwindet sie.«
Daniele schlägt sein Notizbuch zu und hebt den Stift wie ein Lehrer, der den Schülern einen schwierigen Sachverhalt erklären will.
»Wie verwischt man die Spuren eines Unternehmens? Indem man die Bude dicht macht, das Geld herausholt und ein neues mit anderen Gesellschaftern, anderem Namen und anderem Unternehmensgegenstand gründet. Und wie lässt sichder Sache auf die Schliche kommen? Indem man auf kleinste Details achtet. Auf die Kapitalerhöhungen beispielsweise, die dem zweiten Unternehmen in kürzester Zeit zu der gleichen Liquidität verhelfen wie dem ersten. Auf dieselbe Notarkanzlei, in denen sämtliche Unternehmen gegründet werden. Auf ein Aufsichtsratsmitglied, das immer wieder in allen Unternehmen auftaucht, bis dessen Sohn schließlich zum Manager aufsteigt. Auf den einen oder anderen Gesellschafter. Ein Sohn ist beim einen Unternehmen, seine Mutter war beim vorhergehenden. Vielleicht benutzt sie ihren Mädchennamen, dann kommt man noch schwerer drauf. Oder auf den Firmensitz, der eine verdächtig ähnliche Adresse hat. Die Perseo beispielsweise übernimmt den ehemaligen Firmensitz eines Di-Donna-Unternehmens. Und so weiter.«
Er legt den Stift weg, verschränkt die Arme, streckt die Beine unterm Tisch aus und lässt den Blick von mir zu meinem Vater und Andrea wandern.
»Ein ewig langer, unsichtbarer, zerstückelter Faden. Verschiedene Unternehmen, die nichts miteinander zu tun haben, nicht zu greifen sind. Und dennoch steckt immer das gleiche Geld dahinter.«
»Scheinbar.«
Daniele sieht meinen Vater an.
»Wie bitte?«
»Scheinbar das gleiche. Du hast doch vorhin selbst gesagt, vor Gericht könntest du das nicht erzählen.«
Daniele hebt die Hand, als wolle er Einspruch einlegen. Er legt die Handfläche auf die Unterlagen und will antworten, doch ich komme ihm zuvor.
»Gibt es jemanden, der glaubt, Ferrarini hätte gelogen? Seine oder Di Donnas Unterlagen seien gefaked?«
Adriano schweigt. Er weiß, dass die Frage ihm gilt. Und dass ich auf eine Antwort warte. Wir tauschen einen Blick und ich rede weiter.
»Die Geschichte geht weit zurück. Longos Geld, Di DonnasGeld, die Geldwäsche. Bis zur Danae. Alles läuft bei Antonio Marsigli zusammen, der für
Weitere Kostenlose Bücher