Bleiernes Schweigen
ununterbrochen an der Sache dran. Die Suche nach einer Verbindung zwischen Cèrcasi und Rossini ist ein totes Gleis. Oder fast.
Als ich es ihm sage, stoppt er den Rollstuhl in einem menschenleeren Gang.
»Hast du etwas gefunden?«
Ohne zu antworten angele ich eine Packung Reis und zwei Pakete Nudeln aus dem Regal, lade eine Schachtel Zucker, drei Dutzend Flaschen Wasser, eine Tafel Bitterschokolade, eine Tüte Orangensaft und ein Päckchen Kaffee in den Einkaufswagen.
Und packe aus.
Es geschieht in einem seltsamen Stück Niemandsland zwischen den Tiefkühltruhen und den Kassen. Es geschieht ohne mein Zutun, als würde ein schlecht gehütetes Geheimnis nach allzu langer Zeit an die Oberfläche steigen.
»Das läuft wie bei der Perseo«, sage ich und denke an die Verurteilungen wegen Betrugs, Geldwäsche und Mafiazugehörigkeit, denen die Manager des Konzerns zum Opfer gefallen sind, ohne dass Rossini auch nur im Entferntesten in die Schusslinie geraten wäre.
»Sag mir, was du herausgefunden hast.«
Wir gehen an den Tiefkühltruhen vorbei, Dutzende Kartoffelgerichte, Ofenkartoffeln und Fritten. Spinat, Spargel. Riesige silbrig und braun schimmernde Fische, die so aussehen, als hätten sie ihr ganzes Leben in einem Eisblock verbracht.
»Da gibt es einen Typen, der vor ein paar Jahren in Palermo geschnappt wurde. Er geht bei einer Mafia-Ermittlung ins Netz, die zu einem Bunker voller Waffen führt. Sie nageln ihn durch die Listen der Telefonverbindungen fest. Und es kommt heraus, dass er eine Zeitlang Anrufe erhalten hat, die er nicht hätte erhalten dürfen. Unmittelbar vor dem Anschlag in der Via Georgofili wird er beispielsweise jeden Tag von einem der Bombenleger angerufen. Das Gleiche passiert vor Rom und Mailand. Danach kommt nichts mehr.«
Adriano greift sich zwei Marmeladengläser.
»Jemand hat sein Telefon benutzt.«
»Das dachten die Richter auch, aber man kann nichts nachweisen. Also lassen sie ihn wieder laufen.«
»Und was ist daran so merkwürdig?«
»Er ist der Gründer eines von Cèrcasis sizilianischen Parteibüros. Er hat auch an dieser Art Kollekte teilgenommen, mit der sein Wahlkampf finanziert wurde.«
Mein Vater unterdrückt ein Lachen.
»Und was geschieht nach seiner Festnahme?«
»Er wird noch am selben Tag rausgeschmissen. Das Parteibürowird geschlossen, die gesammelten Gelder einem palermischen Krankenhaus gespendet.«
»Das könnte Zufall sein.«
Ich zucke mit den Achseln.
»Schon möglich. Aber es hat mich neugierig gemacht. Und ich bin der Sache nachgegangen.«
Ich stelle mich an der Kasse an. Vor uns versucht eine junge Frau erfolglos, ihre Zwillinge im Zaum zu halten. Sie bietet uns an, vorzugehen, ich lehne lächelnd ab. Im Flüsterton rede ich weiter.
»Das hat es schon mehrmals gegeben. Der Vater eines Cosa-Nostra-Killers eröffnet zusammen mit ein paar Freunden ein Büro zwischen Palermo und Bagheria. Ein Strohmann des Capobianco-Clans nimmt an der Spendensammlung in der Provinz Mailand teil. Der ehemalige Bürgermeister eines ostsizilianischen Dorfes stürzt sich in die Spendenaktion für den ersten Wahlkampf. Dann kommt raus, das er ganz dicke mit Riinas Steuerberater ist und muss die Finger davon lassen. Ein Mann aus Ferraras Dunstkreis organisiert in seinem Hotel in Palermo die erste Versammlung der neuen Partei in Sizilien, auf der auch die sizilianischen Wahllisten präsentiert werden sollen. In diesen Listen ist ein Unternehmer aufgeführt, der um ein Haar auch aufgestellt worden wäre. Er wird in letzter Sekunde verhaftet, als herauskommt, dass er mit einem von Falcones Mördern in Verbindung stand.«
»Und Cèrcasi?«
»Er hat Tabula rasa gemacht, vom ersten bis zum letzten Mann. Ohne Pardon. Und er hat versucht, die Sache unterm Deckel zu halten. Aber das ist noch nicht alles. In den sizilianischen Parteiorganen ist auch ein Herr unterwegs, der zum Zeitpunkt von Borsellinos Ermordung Finanzberater war. Immer wieder taucht er im Zusammenhang mit den Telefonaten auf, die im Castello Utveggio zusammenlaufen. Als sie ihn ein bisschen genauer unter die Lupe nehmen, kommt heraus, dass unter seinen Klienten ein paar Mafia-Strohmännersind, die Drogengeld in der Schweiz und in Norditalien waschen. Er behauptet, er habe davon nichts gewusst, es gibt keine Beweise und alles löst sich in Wohlgefallen auf.«
»Und was macht der heute?«
Ich grinse meinen Vater hämisch an und flüstere:
»Stadtrat.«
Adriano sieht mich ungläubig an.
Entschuldigend hebe ich
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