Bleiernes Schweigen
Schuldner wurden zu Gesellschaftern, dann wurden noch zwei oder drei ausländische Investoren draufgepackt, und der Kahn war wieder flott.«
»Und genau das ist passiert.«
»Sehr gut, Adriano. Genau das ist passiert. Wir haben es lediglich hübsch verpackt.«
Mein Vater sagt lange nichts. Als er wieder spricht, ist seine Stimme nur ein Hauch.
»Das klingt nach einem Gefallen.«
Grossi tut überrascht.
»Findest du? Dabei gab es gar keinen Grund, Rossini einensolchen Gefallen zu tun. Den hab ich nicht einmal zu Gesicht bekommen. Soweit ich weiß, hat er noch nicht mal Cèrcasi angerufen. Weder vorher noch nachher noch währenddessen. Aber in der Tat, mir kam es vor wie ein Gefallen. Auch wenn viele Wirtschaftsexperten meinten, das sei ein gutes Geschäft. Die Einkaufszentren der Perseo erfreuten sich bester Gesundheit, genau wie der Rest des Unternehmens, das Problem sei finanzieller und nicht struktureller Natur und würde Geld bringen. Die Krise sei zahlreichen anderen Faktoren geschuldet, die Perseo würde einer Menge Menschen Arbeit geben und die gelte es zu erhalten. Unterm Strich sei das ein wirklich guter Schritt gewesen. Für alle.«
Er seufzt lächelnd.
»Heute setzt Rossini drei Milliarden Euro um, und dank dieser Geschichte hat er auch bei der Banca d’Italia ein Wörtchen mitzureden, schließlich sind seine neuen Gesellschafter Aktionäre. Eine Riesensache also. Man gleicht die Schulden aus, holt sich verlässliche Partner an Bord, behält die Kontrolle über seine Schöpfung, dringt ohne groß aufzufallen in eine der wichtigsten Schaltzentralen vor. Rettet seinen Arsch. Und kann weiterhin den Schein wahren.«
Grossi verstummt und wartet vergeblich auf eine Reaktion.
Adriano denkt über das soeben Gehörte nach: Verschlossene Türen. Eine gezielte Forderung. Ein klares System. Keine Diskussion.
Grossi meinte, er habe keine Fragen gestellt. Er habe zur Kenntnis genommen.
»Die Entscheidung stand ihm gar nicht zu.«
In Grossis Gesicht blitzt ein grausames Grinsen auf und schlägt in ein bitteres Lächeln um. Er schüttelt den Kopf, schindet Zeit, setzt an einem anderen Punkt der Geschichte an.
»Als er mir eröffnete, dass er kandidieren wolle, war das keine Überraschung. Ich kenne Francesco seit der Schule, wir sind immer in Kontakt geblieben, die Entscheidung lag in der Luft.«
»Und er hat dich gebeten, ihm zu helfen.«
»Wen hätte er sonst fragen sollen? Das war mein Job. Public Relation, politische Imagepflege, Coaching. Das ist mein Leben. Außerdem waren wir Freunde.«
Wir waren Freunde.
Es ist das erste Mal, dass er eindeutig in der Vergangenheit spricht. Gefühle lässt er außen vor. Nichts von der Theatralik, die in seinen übrigen Schilderungen mitschwang. Eine klare, einfache Tatsache, die keine Untermalung braucht.
»Als wir das erste Mal ernsthaft darüber sprachen, schien er bereits an alles gedacht zu haben. Die politische Ausrichtung, die richtigen Leute, das Programm. Es war alles da. Zwar noch ein Embryo, aber da. Man brauchte nur das nötige Geld. Viel Geld.«
»Und du?«
»Ich was, Adriano! Eine Weile habe ich die Klappe gehalten. Und als es dann ernst wurde, habe ich versucht, die Sache anzusprechen.«
»Was hat er dir gesagt?«
»Er hat mich gefragt, an welche Summe ich gedacht hätte. Und ich habe mit der doppelten Summe geantwortet.«
»Und wo wollte er die hernehmen?«
»Das habe ich mich auch gefragt. Oder besser, ich habe ihn gefragt, als mir ein paar Zweifel kamen.«
»Zweifel?«
»Na klar, Zweifel. Das war eine riesige Summe. Francesco wollte nicht gewählt werden, er wollte gewinnen. Er war völlig besessen davon. Wir können es uns nicht leisten, Zweiter zu werden, sagte er. Und eines Tages meinte er zu mir, ihm sei eine Idee gekommen, wie man das Problem lösen könne.«
»Öffentliche Spenden.«
»Genau. Er meinte, alles andere sei überholt, und ich musste lachen, denn genau das war der Kern der Sache. Francesco war die Lauterkeit, die dieses Land sich nicht leisten konnte. Klar, idealistisch, nicht gutaussehend genug, dassihm die Frauen nachliefen und die Männer eifersüchtig wurden. Und mit der Gabe, alles einfach zu machen, jedes Konzept in höchstens zwanzig Worten zu erklären. Die Leute hörten ihm zu und kamen sich klug vor. Sie hörten, wie er die Korruption anprangerte, und stellten fest, dass der Durst nach Gerechtigkeit gestillt wurde. Heute würde man sagen, er hatte eine Zukunftsvision. Und im Grunde war es so.«
»Oder
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