Bleiernes Schweigen
ist es wirklich so, als wühle man mit den Händen in der Scheiße. Und das natürlich ohne Schutzmaßnahmen.«
»Und das ekelt Sie nicht?«
Der Colonnello verschränkt die Finger und löst sie wieder. Wie zum Gebet. Seine Stimme bleibt ruhig.
»Das ist unwichtig. Das zählt nicht. Dafür werde ich nicht bezahlt. Von mir wird erwartet, dass man den Gestanknicht mitkriegt. Vorher, währenddessen. Aber vor allem danach.«
Der Richter nickt und versucht, gelassen zu bleiben.
»Für wen haben Sie verhandelt?«
»Es gab keine Verhandlung.«
»Wer waren Ihre Ansprechpartner?«
»Es gab keine Verhandlung.«
»Früher oder später werden Sie mir antworten müssen, das wissen Sie, oder?«
»Es gab keine Verhandlung.«
Lächelnd senkt Daniele den Blick. Dann hebt er jäh den Kopf und stützt die Ellenbogen auf den Tisch.
»Wer war es? Ein Minister? Zwei? Wussten Sie, wer auf der anderen Seite sitzt? Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass jemand hinter Ihrem Rücken agieren könnte? Oder vielleicht geschah es in aller Öffentlichkeit, und Sie wussten Bescheid?«
»Es gab keine Verhandlung.«
Daniele traktiert das Bonbonpapier.
»Ihr habt der Cosa Nostra eine klare Ansage gemacht, ihr legt die Bomben, und wir werden uns einig. Vielleicht nicht so direkt, aber bei diesen Leuten zählen Gesten, Signale, Kleinigkeiten. Und tatsächlich haben sie euch beim Wort genommen. Ist Ihnen das jemals in den Sinn gekommen, Colonnello? Haben Sie sich jemals überlegt, dass Paolo Borsellino noch am Leben sein könnte, wenn es diese – wie haben Sie die genannt? – Ermittlungsgespräche nicht gegeben hätte?«
»Machen Sie Witze? Was erlau…«
Er fällt ihm ins Wort und zwingt sich, nicht zu schreien.
»Haben Sie sich jemals überlegt, dass die Accademia dei Georgofili, die Via Palestro, die Kirchen in Rom deren Art war, die Geschäfte zu führen? Die Art, die sie am besten beherrschten, weil sie wussten, was sie dafür bekommen? Ist Ihnen das jemals in den Sinn gekommen?«
»Es gab keine Verhandlung, Dottore.«
»Sie waren dabei, Colonnello. Sie waren dort. Sie wissen alles. Können alles erzählen.«
Der Militär beugt sich vor und betont jede Silbe.
»Es gab keine Verhandlung. Haben Sie verstanden? Ich habe die Cosa Nostra stets bekämpft, falls Sie das vergessen haben.«
Daniele schüttelt den Kopf.
Ruhe bewahren, denkt er. Ruhe bewahren.
»Wie Michele Giordano, Colonnello? Sagen Sie mir, ist das Ihre Auffassung von Kampf? Gehen Sie nach dem Prinzip des kleinsten Übels? Wissen Sie, was ich glaube? Dass Sie einer von denen sind, die sagen, man muss lernen mit der Cosa Nostra zu leben. Einen Sieg gibt es nicht, er ist unmöglich. Also kann man ebenso gut damit seinen Frieden machen und es halten wie der Ochs mit der Bremse: Hier und da ein kleiner Biss, ein bisschen Blut, und derweil kann man hoffen, dass einen Schwanz und Ohren vor dem Schlimmsten bewahren. Doch der Ochs bleibt immer Ochse und du bleibst immer eine Bremse.«
»Und Sie, Dottore, was denken Sie?«
Daniele lehnt sich über den Tisch.
»Ich denke, dass die Totò Riinas, Bernardo Provenzanos, Messina Denaros, Bruscas und Badalamentis Abschaum sind. Und dass die, die sich an ihrem Geld bedienen, noch mehr zum Himmel stinken. Leute in schicken Anzügen, mit strahlendem Gebiss, gebügelten Hemden, gewienerten Autos, netten Chauffeuren und Au-Pairs, die zu Hause auf den Nachwuchs aufpassen und ihm Englisch beibringen. Drecksäue, die zur Premiere in die Scala und zum Filmfest nach Venedig gehen, an Regatten und Industrieverbandsversammlungen teilnehmen und in den Vorständen sitzen. Im Parlament. Leute mit weißer Weste, die ihren Arsch verkaufen, gewaschenes Geld unter die Leute bringen und die Jauche loswerden, in der sie paddeln.« Er macht eine Pause. »Arschlöcher, die duften wie Veilchen.«
»Glauben Sie, das macht mir keine Sorgen?«
Der Richter zuckt mit den Schultern.
»Sie haben es vorhin selbst gesagt. Sie und ich haben verschiedene Jobs. Mich interessiert die Wahrheit. Was mich anlangt, ist das genug.«
Schweigen senkt sich herab. Er hat die letzten Worte hastig ausgesprochen, als hätte der Mut dazu ein Verfallsdatum.
Doch sein Gegenüber wirkt weder beleidigt noch getroffen. Wenn es so ist, kann ich nichts machen, bedeutet er ihm mit einer seltsamen Bewegung der Schultern und erhebt sich.
Auf der Schwelle dreht er sich noch einmal um.
»Sie machen einen Fehler, Dottore.«
»Ist das eine Drohung?«
Der Colonnello schüttelt den
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