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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Fogli
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Pause. »Er hat’s mir erzählt, weil man nicht so leicht drangekriegt wird, wenn man so ein großes Geheimnis mit jemandem teilt. Und auch wenn’s nicht stimmt, wenn Graffeos Neffe ihm einen Scheiß verzapft hat, musst du die Klappe halten. Wenn das rauskommt, haben sie dich als Nächstes am Arsch. Vielleicht dachte er, wenn er es mir erzählt, komme ich der Familie wieder ein bisschen näher. Stattdessen bin ich zwei Monate abgehauen. Als sie ihn umgebracht haben, war ich gerade wieder zurück.«
    »Erzählst du mir das deshalb jetzt alles?«
    »Ich erzähl’s dir, weil du’s wissen willst. Weil ich in Ruhe gelassen werden will. Und weil jetzt eh alles gelaufen ist. Ist mir scheißegal, ich hau ab. Heute Abend noch, sobald ich hier raus bin. Ich will keinen mehr sehen. Ich schnappe mir meine Mutter, und du wirst nix mehr von mir hören. Nie wieder.«
    Ich mache ein ehrfürchtiges Gesicht. Dann schüttele ich den Kopf und schleudere ihm ins Gesicht, was ich von seiner Vorstellung halte.
    »Schwachsinn.«
    Er antwortet nicht. Wartet. Ich helfe ihm aus seiner Verlegenheit.
    »Wenn du beschlossen hast, abzuhauen, und alles vorbereitet hast, gibt es keinen Grund für dich, hier zu sein.«
    Er antwortet nicht.
    »Also?«
    Er sieht mich immer noch an. Mit zusammengepressten Lippen, die Hände zwischen den Schenkeln.
    Ich beuge mich vor.
    »Und?«
    Er sieht mich an. Ich packe ihn bei den Schultern. Meine Wut ist einfach zu groß, als dass ich mich beherrschen könnte.
    »Was zum Teufel hast du hier zu suchen?«
    Die Antwort lässt mir das Blut gefrieren.
    »Ich hatte keine andere Wahl.«
    Ich halte inne. Die Hände auf seinem Shirt, ein Schauder läuft mir mit schneidend scharfen Krallen über den Rücken. Die Finger öffnen sich, langsam, im Takt der Angst, die kommt und geht, schnell und unaufhaltsam wie die Flut.
    »Wer?«, frage ich.
    »Glaubst du, ich will sterben?«
    »Das, was du mir erzählt hast …«
    Er fällt mir ins Wort.
    »Es ist alles wahr. Sie wollen, dass du es weißt, und …«
    »Raus. Verschwinde.«
    Er steht auf. Bleibt vor mir stehen, als wollte er etwas tun. Dann dreht er sich um, öffnet die Tür und zieht sie hinter sich zu.
    Ich breche auf dem Sofa zusammen. Ich schließe nicht ab, ziehe die Vorhänge nicht zu, werfe keinen Blick aus dem Fenster, um zu sehen, ob auf der anderen Straßenseite jemand steht. Ich sitze da, endlos zähe Minuten lang, und frage mich, ob das alles ein Alptraum, ein übler Scherz oder etwas vollkommen Absurdes ist, von dem ich nicht weiß, ob ich es ergründen will. Irgendwann schlafe ich ein.
    Einige Zeit später wache ich auf, mit einem Geräusch im Ohr, das ich nicht einordnen kann. Ich brauche eine Weile, bis ich wieder klar im Kopf bin. Der Benachrichtigungston für neue Mails.
    Daniele.
Bin im Ausland, in zwei Tagen wieder zurück. Komm mich Ende der Woche besuchen.
    Ich mache das Programm, den Computer, den Monitor, das Licht aus, schließe die Jalousie, den Vorhang und sämtliche Schlösser der Wohnungstür.
    Ich überlege kurz, ob Marcello Reale noch da draußen steht und darauf wartet, dass ich meine Meinung ändere und ihn wieder hereinlasse. Wieso auch immer.
    »Fick dich«, sage ich zur geschlossenen Tür. »Fickt euch alle.«
    Zehn Minuten später bin ich im Bett, mit geschlossenen Augen, brennendem Licht und einem nie geöffneten Buch von Foster Wallace auf dem Nachttisch. Endlich klare Gedanken.
    Es gibt einen Menschen, der Bescheid weiß und mir etwas verheimlicht. Der einzige, an den ich mich wenden kann.
     
    »Jetzt reden wir mal Tacheles.«
    Mein Vater steht in der weit geöffneten Tür und sieht mich an. Lächelnd schüttelt er den Kopf, mit dem gleichen Gesichtsausdruck wie früher, wenn ich etwas tat, was ihn verblüffte. Aber ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt. Als er es begreift, wird er sehr ernst. Er lässt mich herein und schließt die Tür. Dann verschränkt er die Arme und wartet, dass ich mich setze.
    »Schieß los.«
    »Pierangelo Graffeo«, sage ich.
    »Mafia aus Brancaccio, einer der Bosse. Bezirkschef, als die Ferraras eingebuchtet waren.«
    »Genau. Und wenn ich dir sagte, dass er Michela von Solara erzählt hat?«, lüge ich, um ihn zu testen.
    Er zeigt keinerlei Regung.
    »Unmöglich.«
    »Das reicht mir nicht.«
    Er wendet sich ab und sieht aus dem Fenster. Es fängt an zu regnen.
    »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.«
    Ich stehe auf und lege die Hände auf die Rückenlehne des Rollstuhls.
    »Vor einer Weile habe

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