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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Fogli
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beschlossen, eine Antwort zu finden.
    Daniele war ein alter Freund. Er war Staatsanwalt in Florenz. Früher hatten wir ein paar Mal im Monat zusammen Fußball gespielt. Kaum war ich wieder zu Hause, hatte ich ihm eine Mail geschrieben. Dann hatte ich mich darangemacht, meinen Kram und die unversehens verlassene Wohnung in Ordnung zu bringen.
    Plötzlich wurde ich unterbrochen.
    Die Wohnungsklingel. Das penetrante Geräusch eines Menschen, der vor der Tür steht und wartet. Ich hatte durch den Spion gespäht. Und tief durchgeatmet, die Hand auf der Klinke. Dann hatte ich mich entschlossen.
    Dem Mann die Tür zu öffnen, der einen gerade ins Krankenhaus verfrachtet hat, ist ziemlich dämlich. Doch der Grund, weshalb ich Nicola Reales Bruder hereinließ, war ganz einfach: Jenseits des Spions stand ein Mann, der sehr viel verängstigter war als ich.
     
    Marcello Reale wirkt noch jünger, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ohne den Baseballschläger, in Anzug und Krawatte und mit frisch gewaschenen Haaren sieht er aus wie ein Uni-Absolvent, der bei seinem ersten Bewerbungsgespräch einen guten Eindruck machen will. Er sitzt da, wo Arianna gesessen hat. Wenn er eine Pistole hat, ist sie besser versteckt als Ariannas.
    »Meine Familie ist grundanständig«, sagt er, und das ist nicht der beste Auftakt.
    Ich grinse. Er hat mich schon einmal zusammengeschlagen und scheint unbewaffnet zu sein. Da darf ich mir ein Quäntchen Ironie erlauben.
    »Meine Mutter und ich sind meine Familie«, stellt er klar. »Mit diesen Leuten habe ich nichts zu tun.«
    »Ich könnte dir sogar glauben, Marcello. Aber das ist nicht der Punkt.«
    »Der Punkt ist, dass mein Bruder tot ist und es nur noch mich gibt. Und du weißt einen Scheißdreck darüber, was das bedeutet.«
    »Dann erklär’s mir.«
    »Wenn ich dir sage, was ich weiß, musst du danach verschwinden. Und sag nie, von wem du’s hast.«
    Ich bleibe stumm, und er scheint noch mehr Angst zu bekommen. Er blickt sich um, als könnte plötzlich die Polizei hervorspringen und ihn festnehmen. Oder Schlimmeres. Schließlich helfe ich ihm aus der Klemme: Ich strecke ihm die Hand hin.
    »Abgemacht.«
    Er drückt sie und lässt sich gegen die Sofalehne fallen, und einen Moment lang wirkt er nur wie ein Grünschnabel auf der Flucht vor einem Leben, das ein paar Nummern zu groß für ihn ist.
    »Weißt du, wer Pierangelo Graffeo ist?«
    Ich lüge.
    »Nein, sag du’s mir.«
    »Die Graffeos sind eine Familie aus Palermo, dicke Fische. Einer von denen ist vor Ewigkeiten mal auf Lebenszeit hierher verbannt worden. Die haben Verwandte hier. Ein Neffe von Pierangelo Graffeo hat einen Unfall gehabt. Ein totaler Depp, der nix auf die Reihe kriegt. Er schmeißt mit seinem Geld um sich, hat dicke Autos und schöne Frauen. Hin und wieder pfeifen sie ihn nach Palermo zurück und waschen ihm ordentlich den Kopf, damit er ’ne Zeitlang die Füße stillhält. Aber nach einer Weile baut er wieder Scheiße. Irgendwann machen sie ihn kalt, damit er endlich die Klappe hält.«
    »Na schön, verstehe. Aber was geht mich das an?«
    »Mein Bruder hat ihm das Leben gerettet. Dieses Arschloch ist um fünf Uhr morgens am Steuer eingeschlafen. Er war mit seiner Freundin und deren Schwester unterwegs, diehaben auch geschlafen und nix mitgekriegt. Er ist durch eine Leitplanke und ab in den Fluss. Mein Bruder hat alles gesehen, er war auf dem Weg nach Hause. Er hat sie gerade noch rechtzeitig rausgezogen. Sie sind Freunde geworden.«
    »Wie erbaulich. Und was geht’s mich an?«
    »Sie haben angefangen, Geschäfte zu machen. Graffeos Neffe musste zu Hause beweisen, dass er zu was gut war. Nach dem Unfall haben sie ihm gesagt, entweder er ändert sein Leben, oder sie ändern es ihm. Er hat gebeten, ihn auf die Probe zu stellen. Und das haben sie getan. Er kümmert sich um einen Teil des Tablettenhandels, den seine Familie betreibt. Aber verlang nicht, dass ich das vor einem Staatsanwalt wiederhole, das werde ich nämlich nicht, verstanden?«
    »Red weiter.«
    »Sie werden also Freunde. Unser Nachname zählt auch etwas. Die Schwester von Graffeos Schnalle wird die Schnalle meines Bruders, und zu viert machen sie sich’s nett. Sie saufen, ficken, dröhnen sich zu, arbeiten. Arbeiten … ich weiß nicht, wie ich’s sonst nennen soll. Meine Mutter weiß Bescheid, sagt aber nichts. Ich gehe zur Uni, bin fast nie zu Hause, versuche, mein eigenes Ding zu machen, halte mich raus, so gut ich kann. Die Zeit vergeht. Mein Bruder kauft

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