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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Fogli
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Und als sie dahinterkommt, wovon ihr Mandant redet, kriegt sie einen Schreck. Während sie der Sache nachgeht, kommt ihr jemand auf die Schliche und beschließt, dass es besser ist, sie auszuschalten. Zusammen mit Reale.
    Alles perfekt, wenn da nicht Solara wäre. Kinderleicht, wenn es nicht Elena und ihre Notizen gäbe. Und wenn es eine Erklärung dafür gäbe, wieso ein Mafia-Killer beschließt, seine Mission auf so absurde Weise auszuführen.
    »Was hat Michela dir gesagt?«
    Die Frage überrascht sie. Sie tut so, als würde sie nicht verstehen, worauf ich hinaus will.
    Ich flüstere.
    »Du trägst eine Waffe, Arianna …«
    »Nichts, sie hat mir nichts gesagt.«
    »Du bist zu mir gekommen.«
    Sie starrt mich zornig an. Dann sieht sie weg. Sie rückt ihren Zopf zurecht und blickt mir direkt in die Augen.
    »Es ist nicht das, was sie mir gesagt hat …« Sie atmet tief durch. »Als sie gestorben ist, konnte ich an nichts anderes als an diesen Artikel denken. Daran, was ich an ihrer Stelle getan hätte.«
    »Und …«
    Sie greift nach meiner Hand. Ihre ist eiskalt.
    »Ich hätte in der Kanzlei darüber geredet. Schließlich war es doch deren Mandant, oder nicht?«
     
    Lange Zeit habe ich geglaubt, dass man vergessen, dass man ohne Vergangenheit leben kann. Dass es nicht wichtig ist, was einem widerfahren ist, sondern dass man überlebt hat. Jedes Mal, wenn ich darüber gesprochen habe, habe ich mich selbst als lebendes Beispiel für die Richtigkeit dieser These angeführt. Mit einem Schlag stand ich plötzlich ohne Frau, mit einem gelähmten Vater und einer kleinen Tochter da. Abgesehen davon, dass ich der direkte oder indirekte Grund für alles war.
    Wenn ich es geschafft hatte, ohne vollkommen durchzudrehen, ohne mich in ein Gemüse oder ein Wrack zu verwandeln oder manisch depressiv zu werden, war ein Neuanfang möglich. Wenn ich es geschafft hatte, wieder in ein Auto zu steigen, mit einer Frau ins Bett zu gehen, meinem Vater ins Gesicht zu sehen und stolz auf Giulia zu sein, dann gab es Hoffnung.
    Das Gestern ist nicht wichtig. Genau genommen war mir auch das Morgen nicht wichtig.
    Ein Zahnarzt behandelt einen Wurzelkanal nach dem anderen, hatte ich einmal irgendwo gelesen. Und die Vorstellung, einen Schmerz zu lindern, und dann den nächsten und noch einen, mit der Aussicht auf Heilung, erschien mir eine perfekte Metapher.
    Ich hatte mich geirrt.
    Das weiß ich jetzt, während ich diese Geschichte erzähle. Und eigentlich wusste ich es schon an dem Tag, an dem ich aus dem Krankenhaus kam. Nach Ariannas Besuch gab es keine weiteren. Abgesehen natürlich von meinem Vater. Ich habe ihn gebeten, Giulia nichts zu sagen, und er hat sich daran gehalten.
    Und so bin ich vier Tage nach besagter Unterredung wieder nach Hause zurückgekehrt. Vier Tage, die ich mit Nachdenken zugebracht habe. Damit, einen Ausweg oder eine Lösung zu finden. Bruchstücke der Vergangenheit zusammenzufügen und alte Geister zu wecken. Vier Tage mit Ariannas Satz in den Ohren, der mir zum zweiten Mal einen bis dahin unbeachteten Blickwinkel aufgezeigt hatte.
    Schweigen tut der Stimme nicht gut, und meine innere Stimme schien schon allzu lange ganz woanders zu sein, um zwei scheinbar banale Fakten zusammenzukriegen.
    In diesen vier Tagen hatte ich mir vorgenommen, zu vergessen und den Blick scharf zu stellen. Und in jener scheinbaren Stille meines Krankenhauszimmers wurde mir vollends klar, was sich gerade abspielte und dass das Spiel, in das ich zwangsläufig oder zufällig hineingeraten war, keinen Ausweg bot.
    Ich war ganz plötzlich darauf gekommen, während ich ohne zu lesen durch eine Zeitung blätterte. Das Gefühl war das gleiche wie damals, als ich nach dem Unfall aus dem Koma erwacht war. Die Gewissheit, keine Wahl zu haben.
    Ab da habe ich angefangen, mir Fragen zu stellen. Zu Michela, zu Reale, zu allem, was ich tatsächlich gesehen hatte, ehe Michela starb, zur Bedeutung jeder Geste an jenem Morgen. Und alles, was mir in den Sinn kam, führte zu derselben Frage.
    Zu der, die mich in Grauen versetzte: Wenn Michela und ihr Mandant wegen dem gestorben waren, was sie wussten, wieso war ich dann noch am Leben? Wenn alles wegen Solara passierte, wieso waren sie noch nicht hinter mir her?
    Ich fing an, die Frage mit derselben Zähigkeit zu umkreisen, mit der man versucht, einen physischen Schmerz wieder wachzurufen. Sie erschreckte mich, aber sie gab mir das Gefühl, lebendig zu sein. Dann, am Tag meiner Entlassung, hatte ich

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