Bleiernes Schweigen
Politik waren schon immer aufeinander angewiesen. Und die Machtgefüge sind sehr viel größer als der kleine geografische Flecken, aus dem Sie kommen. Denken Sie beispielsweise ans Öl. Oder an die Notwendigkeit, dass Italien eine bestimmte politische Ausrichtung hat. Wie gesagt, größere Gefüge. Um sie im Gleichgewicht zu halten, kommt es nicht so sehr auf die Methode an. Als die Alliierten ’43 in Sizilien landen, tun sie das auch dank der Cosa Nostra. Die Verbindung zum Geheimdienst hat dort ihren Ursprung, seitdem gebraucht man die Mafia als Mittel gegen den Kommunismus. Wenn es eine sogenannte Strategie der Spannung gibt, dann beginnt sie an einem ersten Mai am Ende des zweiten Weltkrieges bei der Portella della Ginestra.«
Er trinkt und senkt die Stimme.
»Ich bin ein lausiger Barmann«, sagt er. Behutsam stellt er das Glas auf den Tisch. »So läuft das Spiel. Die Machtgefüge im Gleichgewicht halten, rausholen, was geht. Durch den Vatikan hat die Bank meines Vaters die Opposition im kommunistischen Polen und einige südamerikanische Diktaturen unterstützt. Das Ziel war das gleiche, die Kommunisten kleinhalten. Oder besser, dafür sorgen, dass die Dinge so bleiben wie sie sind, keine Einflussbereiche verlieren und bei allem, was weniger stabil erscheint, auf den Busch klopfen, um zu sehen, ob’s bröckelt.«
»Das war das größere Spiel.«
Di Donna nickt.
»Ganz recht. Und mittendrin gab es noch die kleineren. Clearingstellen wie bestimmte Bereiche der Freimaurer, denen mein Vater angehörte. Und die nicht verschwunden sind, auch wenn die Untersuchungen das Gegenteil hoffen lassen.«
»Und außer den Freimaurern die Cosa Nostra.«
»Natürlich, als Mittel und als Schutz. Außerdem die Geheimdienste, die souveräne Staaten repräsentieren und sich ihrerseits – sagen wir, auswärtiger? – Zusammenarbeit bedienen, wenn es nötig ist.«
Er beugt sich vor.
»Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Versuchen Sie sich die Cosa Nostra als Geldfabrik vorzustellen. Uns interessiert nicht, wie sie es herstellt, zumindest noch nicht. Sie hat es und basta.«
»Ein Investor.«
Seine Augen leuchten auf.
»Sie sagten, Sie verstünden nichts von Finanzen«, raunt er. »Die Cosa Nostra ist der größte Investor auf dem Markt. Sie hat einen Haufen Geld, das sie irgendwo anlegen muss, und sie ist sogar bereit, einen Teil davon sausen zu lassen, wenn sie den Rest wiederkriegt. Natürlich sucht sie sich jemanden, bei dem sie investieren kann.«
»Im Norden.«
»Im Norden, ganz klar. Sie haben mir doch die Semprini-Geschichte erzählt, nicht wahr? Das ist ein Beispiel. Der Kreislauf ist ziemlich einfach. Das Geld aus dem Rauschgifthandel wird über Banken und Finanzierungsgesellschaften gewaschen, geht über Nummernkonten auf Depots von Strohmännern und wird in mehr oder weniger große Unternehmen investiert, die mehr oder weniger im Bilde sind, was läuft. Das Geld ist gesäubert, und die Wirtschaft wird real. Ich könnte Ihnen zahlreiche Unternehmen nennen, die Beziehungen zu internationalen Geldwäschekanälen, zur Vatikanbank und zu Kreditinstituten innerhalb und außerhalb Italiens unterhalten. Manche dieser Geldwäschezentralen werden von den Geheimdiensten selbst betrieben, andere werden zu politischen Zwecken genutzt. Und in wieder anderen Fällen verbindet sich alles auf sehr viel subtilere Weise.
Ihre Betreiber haben Geld und Macht in Hülle und Fülle. Sie werden in ihrer Karriere gefördert und erhalten Unterstützungen für ihre Unternehmen. Und am Ende haben ihre Förderer sie am Haken. Denn über eines besteht kein Zweifel: Jeder Wechsel will bezahlt werden. Immer. Und je besser man ist, je größer und bedeutender man wird, umso gesalzener wird am Ende die Rechnung.«
»Und Ihr Vater war gut.«
»Alessandro Di Donna war der Beste. Und das, weil er eigentlich eine ehrliche Haut war. Komisch, nicht wahr? Seine Bank war eine der Schaltzentralen jener Welt, die ich Ihnen geschildert habe. Zu groß, um nicht in die Luft zu fliegen. Und je lauter der Knall, desto notwendiger ist es, dass der Geheimnisträger schweigt.«
Er steht auf, geht zur Bar und lehnt sich mit dem Rücken gegen den Tresen.
»Das ist der Hintergrund Ihrer Geschichte.«
Ich sehe ihn verständnislos an. Ich muss ein ziemlich seltsames Gesicht machen, denn plötzlich fängt er an zu lachen und kann kaum wieder aufhören.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagt er, als er sich endlich beruhigt hat. »Sie verstehen offenbar nicht ganz. Und
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