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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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Richtern.
    Sie stellen ihn anderen Pentiti gegenüber, die am Attentat von Capaci beteiligt waren. Einer von ihnen fragt den Richter, wer der Typ sei, weshalb er dieses Zeug verzapfte, wer ihm das erzählt habe. Ich war beim Vorbereitungstreffen für den Anschlag, fügt er hinzu, und die Leute, von denen der redet, habe ich da nicht gesehen.
    Ich kenne den nicht, erklärt er.
    Niemand kennt Rosario Curatolo.
    Niemand glaubt Rosario Curatolo.
    Bis auf den Leitenden Oberstaatsanwalt von Caltanissetta, der ihm aufgrund des Geständnisses und der Ermittlungen, die ihn hinter Gitter gebracht haben, den Prozess machen will.
    Elena gelingt es nicht, ihn zu treffen.
    Anfang 1996 bekommen sein Schwager Salvatore Principato, Giovanni Romano sowie der Besitzer der Autowerkstatt, die den Diebstahl des Nummernschildes gemeldet hat und in der der Fiat 126 präpariert wurde, lebenslänglich. Der Handlanger Curatolo kommt mit achtzehn Jahren weg.
    Die Verteidigung geht nicht in Berufung.
    Das Urteil, das ihn festnagelt, wird rechtskräftig und kann in anderen Verfahren verwendet werden.
    Unpassend.
    Ich lese die Bemerkung noch einmal und frage mich, was sie wohl nach der Urteilsverkündung geschrieben hätte. Und was sie danach gedacht hätte, in den Jahren darauf, als Curatolo seine Aussage widerruft und sagt, er habe sich alles nur ausgedacht, die Polizisten –Vincenzo Pellegrino, der ihn verhaftet und später Polizeipräsident von Palermo wird – hätten ihm gesagt, was er erzählten sollte. Er sagt es im Gerichtssaal, er sagt es seiner Frau, er schreibt es auf seine Zellenwände. Ich habe Unschuldige beschuldigt, sagt er. Und so fordert die Anklage im Berufungsverfahren Freispruch für alle. Außer für Curatolo, der nicht freigesprochen werden kann und vor dem Gesetz schuldig bleibt.
    Lebenslänglich, in zwei getrennten Prozessen, auch für sämtliche Cosa-Nostra-Bosse.
    Alles klar. Klar wie eine mondlose Nacht.
    Ich stelle die Espressomaschine weg und trinke einen großen Schluck Wasser aus der Flasche. Dann kehre ich vor den Bildschirm zurück.
    Die Nachricht ist noch da.
    Curatolo hat eine Anhörung vor Gericht beantragt. Es gibt einen neuen Prozess, er wollte reden.
    Und es gibt wieder eine neue Version.
    Die Wahrheit ist das, was ich in erster Instanz gesagt habe, erklärt er. Ich habe nur widerrufen, weil die Cosa Nostra es so wollte.
    »Schwachsinn«, murmele ich und schließe die Seite.
    Ich starre auf Elenas Unterlagen. Denke darüber nach, was ich gelesen habe, frage mich, wie viel ich davon begriffen habe und bis wohin ich allein kommen würde. Wie tief das Meer ist, das ich vor mir habe, und was sich unter der Wasseroberfläche verbirgt.
    Die Antwort ist mehr als einfach.
    Ich kopiere die Unterlagen dreimal. Eine Kopie verstecke ich in der Küche, den USB-Stick hänge ich an meinen Schlüsselbund. Dann verlasse ich das Haus.
    Als ich zurückkomme, sind drei Stunden vergangen. Der richtige Moment für den Anruf, den ich tätigen muss.
    Ich habe Angst, als ich die Nummer wähle. Doch ich versuche, darüber hinwegzugehen.
     
    »Hätte nicht gedacht, dass ich dich noch mal treffe.«
    Daniele sieht komisch aus im dunklen Anzug. Ich kenne ihn nur in kurzen Hosen, höchstens im Trainingsanzug, und mit umgedrehtem Basecap. Der beste Torwart, den ich mir denken kann.
    Nach fünf Jahren sehen wir uns wieder in einer Bar gegenüber der Staatsanwaltschaft von Florenz. Die Betreiberin begrüßt ihn höflich und ehrerbietig und führt uns nach hinten in einen separaten, mit einer Falt-Tür abgetrennten Raum. Die Eskorte bleibt draußen. Er muss nichts sagen, ein Blick genügt.
    »Wann war das letzte Mal?«
    Er antwortet sofort.
    »Bei Coccos Hochzeit.«
    »Der mieseste Außenverteidiger der Menschheitsgeschichte«, sage ich. Wir lachen. Er wirkt sehr müde.
    Wir bestellen Kaffee. Die Besitzerin bringt uns gleich noch zwei Scheiben Kranzkuchen dazu. Er bedankt sich lächelnd.
    »Da siehst du mal, wohin die Angst vor den Richtern führt«, sagt er und tunkt ein Stück Kuchen in seinen Kaffee. Er isst es langsam, ohne ein bisschen zu krümeln.
    »Entschuldige, dass ich dich belästige. Ich weiß, dass du …«
    Er winkt ab, ohne mich anzusehen. Trinkt seinen Kaffee.
    »Wir sind schließlich Freunde. Und für Freunde hat man fünf Minuten. Vor allem für die, die in Schwierigkeiten stecken.«
    »Ich habe nie fünf Minuten.«
    Keine Ahnung, warum ich das sage. Es rutscht mir so arglos heraus, dass er lachen muss. Sein Lachen ist

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