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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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ansteckend.
    »Macht nichts«, sagt er. »Immerhin schreiben wir uns häufig, nicht wahr?«
    Er zündet sich eine Zigarette an.
    »Hast du nicht wieder angefangen?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Sehr gut. Also rauche ich eine und du erzählst. Und tu so, als wüsste ich nichts.«
    Ich sehe ihn an, überlege, wo ich anfangen soll, und entscheide mich mal wieder für den Gerichtssaal. Am Ende erwähne ich noch die Begegnung mit Marcello Reale. Und seine Version dessen, was an jenem Morgen passiert ist.
    Als ich fertig bin, ist Daniele beim letzten Zug und wirkt weder überrascht noch besorgt.
    Er räuspert sich.
    »Soweit die Fakten«, fängt er an und hält sofort wieder inne.
    Er drückt die Zigarette aus, steckt sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund und macht sich die nächste an. Er hält sie zwischen den Lippen, ohne daran zu ziehen. Sein Blick wandert gedankenverloren von mir zu den verwaisten Tischen. Dann atmet er ein, nickt leise, horcht in sich hinein und beginnt mit einer Frage.
    »Hast du dich gefragt, ob das eine Botschaft sein könnte?«
    »Redest du von Mazza?«
    »Ja, Mazza. Denk nach. Er war fünfzig. Der gehörte schon dazu, ehe er auf der Welt war. Erst Dealer, dann Drogenhändler. Ein paar rechtskräftige Urteile wegen Mordes, wer weiß, wie viele Morde unentdeckt geblieben sind. Ganz plötzlich beschließt er, dass es nun vorbei ist. Er erfüllt seinen letzten Auftrag, und statt in den Knast zu wandern, jagt er sich in einem Gerichtssaal vor aller Augen eine Kugel in den Kopf. Entweder Tod oder Lebenslänglich, eine andere Wahl gibt es nicht. Doch ich will mich nicht über die Art und Weise auslassen. Nur damit das klar ist, soweit ich weiß, hat Marcello Reale dir die Wahrheit gesagt. Sein Bruder und Mazza arbeiteten zusammen. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich Graffeo war, der vermittelt hat, um den Frieden wiederherzustellen, aber möglich ist es.«
    »Und wieso ihn dann umbringen?«
    »Eins nach dem anderen. Für solch einen Mord gibt es nur zwei Gründe. Entweder ist etwas Unvorhergesehenes passiert und Mazza hat den Kopf verloren …«
    »… oder sie haben ihn gezwungen.«
    »Ganz genau. Und wieso nehmen sie ausgerechnet ihn? Weil es dann wie eine Vendetta aussieht. Sein Puppenspieler übernimmt die Fäden, führt ihn in den Justizpalast und lässt ihn Nicola Reale erschießen. Hereinzukommen ist einfach, man wird nicht durchsucht, es gibt keine Kontrollen. Herauszukommen ist unmöglich. Man ist geliefert. Womit, glaubst du, haben sie ihn überredet?«
    »Mit seiner Familie.«
    Lächelnd breitet Daniele die Arme aus.
    »Richtig, mit seiner Familie. Von der niemand weiß, wo sie steckt, und die auch niemals wiederkommen wird. Willst du, dass es deiner Frau und deinen Kindern gutgeht? Wir haben sie auf eine kleine Reise geschickt, da kann schon mal ein Unfall passieren … Also tauscht Angelo Mazza seine Freiheit gegen das Wohl seiner Familie ein. Doch noch ergibt das keinen Sinn.« Er macht eine Pause. »Angesichts des Verrats zwischen Mazza und Reale in der Vergangenheit wäre ein Motiv für den Mord sofort bei der Hand gewesen. Doch er beschließt, es noch einmal beim Namen zu nennen. Das ist natürlich wirkungsvoll und ein bisschen theatralisch. Dazu bringt er sich um, damit ihm nicht irgendwann einfällt, auszupacken. Lebenslänglich ist lang und die Versuchungen sind zahlreich. Man weiß nie.«
    »Vielleicht war das Teil der Abmachung. Du stirbst und sie leben.«
    »Hätte er sich nicht an die Absprachen gehalten, wäre es bestimmt ein Leichtes gewesen, ihn im Knast kaltzumachen. Als Richter sollte ich so etwas nicht sagen, aber es hat keinen Sinn, sich dumm zu stellen. Also, nehmen wir an, so ist es gelaufen. Die Message ist klar. Dies ist eine Vendetta, ihr müsst sie noch nicht mal verstehen, ich erkläre sie euch. Glaubt mir, ich habe einen abgeknallt, der geredet hat. Und auch ich bringe mich vor aller Augen um.« Er macht eine Pause. »Allerdings …«
    »Allerdings?«
    »Wieso nicht warten? Reale wäre wieder freigekommen. Die Anklage war läppisch. Und selbst wenn sie ihn eingelocht hätten, es hätte sich schon jemand gefunden, der ihm im Knast den Garaus gemacht hätte. In dem Milieu stehen die sogar im Telefonbuch. Nein, es musste getan werden und zwar sofort. Und das ist der Punkt. Der einzige, der zählt. Wieso haben sie nicht gewartet?«
    Ich sehe ihn an. Die Antwort ist so naheliegend, dass ich sie noch nicht einmal zu denken wage. Ich kann nur den Namen

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