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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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rufe den Chefredakteur an. Mal sehen, was der mir sagen kann.« Er macht eine Pause. »Ich hab immer geglaubt, dass du ein guter Journalist bist.«
     
    Giulio Occhipinti kommt wie ein waschechter Industriellensprössling daher. Vom freien Mitarbeiter des CERISDI scheint nichts mehr geblieben zu sein.
    Er empfängt mich in seinem Büro in einer der Beteiligungsgesellschaften der Region Lombardei. Es war einfach, einen Termin zu kriegen. Die Ausrede mit dem Bericht über die Unternehmenslandschaft hat gezogen. Auch wenn er gleich zu Anfang klarstellt, dass wir auf zwei unterschiedlichen Seiten stehen.
    »Ihre Zeitung führt sich oft auf wie ein politischer Feind«, bemerkt er. Er hat dabei den beschwichtigenden Ton eines Dorfseelsorgers.
    »Eine Zeitung führt sich auf wie sie will. Wenn es eine Nachricht gibt, wird sie veröffentlicht.«
    Occhipinti lächelt, das mitleidige Lächeln eines Lehrers für seinen dümmsten Schüler.
    »Schön, wenn es so wäre.«
    Für einen kurzen Moment mustere ich ihn wortlos.
    »Sagen Sie mir nicht, ausgerechnet Sie wüssten nicht, dass Zeitungen Besitzer haben. Mehr oder weniger bekannte.«
    Er breitet die Arme aus. »So ist die Welt.«
    »Und ihr seid nicht mehr dieselben wie früher.«
    Er lehnt sich zurück.
    »Richtig. Sehr richtig. Früher waren wir sehr misstrauisch. Zu misstrauisch. Heute sind wir offener. Vor ein paar Jahren hätte ich Ihnen dieses Treffen nicht gewährt. Heute ist das anders. Vielleicht bleibt uns nichts anderes übrig, nicht wahr? Wir sind in siebzehn von zwanzig Regionen vertreten, mit mehr als siebzig Sitzen und zweihunderttausend Mitgliedern. Uns ins Schneckenhaus zurückzuziehen wäre … dumm.«
    »Auch in der Politik?«
    »Da wäre es noch dümmer. Italien ist in Blöcke unterteilt oder wird es zumindest bald sein. Wieso sollten wir in der Emilia-Romagna beispielsweise nicht mit den linken Gemeinden zusammenarbeiten? Und dass wir hier in der Lombardei auf der Seite des Präsidenten stehen, ist kein Geheimnis. Und wohl auch keine Überraschung.«
    »Man könnte auch sagen, Sie stehen auf der Seite der Macht.«
    »Seien Sie doch bitte nicht so platt. Wir versuchen, die Probleme unserer Mitglieder zu lösen. Und dazu muss man mit allen reden. Darin sollte unsere Berufung bestehen, wenn ich es denn so nennen darf.«
    »Empört Sie der Begriff Lobby?«
    Er deutet ein Lächeln an.
    »Im englischen Sinne des Wortes nicht. Keineswegs. Wir schließen Abkommen und gewähren unseren Mitgliedern Vergünstigungen. Ausschreibungsinformationen, alles, was dienlich ist.«
    »Lobbys sind Machtverbände, Signor Occhipinti.«
    »Das sind Gewerkschaften auch. Und Genossenschaften. Zeitungen.«
    »Aber nicht alle mit einem solchen Umsatz.«
    »Das stimmt. Doch der Großteil der Mitglieder der Compagnia delle Opere sind kleine Unternehmen. Und Sie würden staunen, wie viele dieser Firmen sich der Linken verbunden fühlen und nichts mit Comunione e Liberazione am Hut haben. Manch einer hält uns für eine Art Industrieverband, aber das stimmt nicht. Wir haben sehr viele Freiberufler unter uns. Und im Mittelpunkt steht der Mensch, nicht das Unternehmen. Das ist nicht zu vernachlässigen.«
    »Mach einer würde sagen, Comunione e Liberazione ähnele einer Sekte.«
    Er lässt die Fingergelenke knacken.
    »Jemand mit sehr wenig Phantasie, finden Sie nicht?«
    »Sagen Sie es mir.«
    »CL ist eine katholische Bewegung, die sich an der Soziallehre der Kirche orientiert und ihre Mitglieder zum Engagement in der Gesellschaft und in den Institutionen auffordert. Das ist natürlich sehr verkürzt ausgedrückt. Man müsste weiter ausholen, von Mission und Nächstenliebe sprechen. Ein umfassendes Thema.«
    »Und für Sie?«
    Er antwortet ohne Zögern.
    »Die Welt, die mich aufgenommen hat. Die mich hat wachsen lassen. Die mich zum Menschen gemacht hat.«
    Ich schreibe mit. Notizen, die mich nicht im mindesten interessieren.
    »In Sizilien seid ihr über dreihundert, richtig?«
    Er stützt die Ellenbogen auf den Tisch. Der Manager bricht durch die fromme Fassade.
    »In etwa, ja.«
    »Und Cosa Nostra?«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Die Compagnia delle Opere ist ein Zusammenschluss verschiedenster unternehmerischer Größenordnungen. Und darauf ist sie stolz. Die Frage erscheint mir berechtigt: Wie hält sie es mit der Cosa Nostra? Denken Sie jetzt bitte nichts Falsches. Ich will nur wissen, wie Sie Ihre Mitglieder schützen. Wo die Schwierigkeiten liegen. Und wie die Lösungsansätze

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