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Bleischwer

Bleischwer

Titel: Bleischwer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Wünsche
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Chemotherapien hatten sie arg mitgenommen. Sonja erzählte
ihm, dass der Krebs so gut wie unheilbar sei. Nur alternative Heilmethoden, die
aber sehr teuer seien, könnten sie vielleicht noch retten. Das Geld hatte sie
nicht. Und da endlich sagte sie ihm die Verse auf, die ihr vor langer, langer
Zeit in einem anonymen Brief geschickt worden waren. Stefan hatte verblüfft
zugehört.
    »Sie
hat mich dabei ganz traurig mit ihren Rehaugen angesehen und wiederholte die
Zeilen«, sagte er jetzt. »Natürlich konnte sie mir keinen Hinweis darauf geben,
wie oder von wem sie das Gedicht bekommen hatte – unsere
Gespräche wurden überwacht – , aber mir war schnell klar,
was das Ganze zu bedeuten hatte. In dem Moment beschloss ich zu fliehen. Um
meinen Anteil zu holen und ihn Sonja für ihre Therapien zu geben.« Er holte
tief Luft. »Außerdem hatte ein korrupter Schließer mir gesteckt«, fügte er
nüchtern hinzu, »dass ich wieder verlegt werden sollte und von
Mindestverbüßungszeit überhaupt keine Rede war. Das hieß: Bau ohne Ende. Kein
Schwein hat mir das offen gesagt, man hielt mich mit leeren Versprechungen hin.
Von wegen Haftlockerungen, Ausführungen und so. Alles bloß Geschwafel. Also hab
ich Sonjas und mein Schicksal selbst in die Hand genommen. Und hier bin ich.«
Er grinste freudlos. »Und muss erfahren, dass alles weg ist.«
    Er nahm
einen tiefen Schluck aus der Rotweinflasche. »Die ganze Scheiße war umsonst.«
    »Aber
wer soll das Versteck geplündert haben?«, wunderte sich Michael. »Es wusste
doch niemand davon.«
    »Mein
Verstand sagt mir, dass nur du es gewesen sein kannst, mein Freund.« Stefan
beäugte Micha argwöhnisch. »Andererseits verstehe ich dann das Trara nicht: das
Versteck hier auf dem Campingplatz, das Gedicht und dass du es damals nach
meiner Verhaftung Sonja gegeben hast. Du hättest ja einfach mit der kompletten
Beute abhauen können.«
    »Vielleicht
hat diese Sonja den Hinweis weitergegeben?«, mischte sich plötzlich Jule ein.
»Und jemand anderes musste bloß eins und eins zusammenzählen.«
    Stefan
starrte sie an wie eine Außerirdische. Ungläubig. Verdattert. Befremdet.
    »Halt
du dich da raus. Du kennst Sonja nicht. Aber vielleicht haben deine Großeltern
oder meinetwegen auch du die Büchse gefunden, z. B. bei Gartenarbeiten. Könnte doch sein.« Er funkelte sie böse an.
»Wenn ich es mir recht überlege, kommt mir das sogar am wahrscheinlichsten
vor.« Plötzlich stieß er sich von der Küchenzeile ab und hielt ihr die Waffe
zwischen die Augen. »Komm, spuck’s aus. Wo ist das Zeug?«
    Jule
erschrak bis ins Mark. Das Metall des Pistolenlaufes schien sich bis in ihr
Gehirn zu bohren. Todesangst schnürte ihr die Kehle zu. Sie brachte keinen Ton
heraus.
    »Hör
auf damit!« Michaels Stimme peitschte durch das Innere des Wohnwagens. »Jule
hat nichts mit der ganzen Geschichte zu tun! Das weißt du! Lass sie in Ruhe!
Reite dich nicht noch weiter in die Scheiße rein.«
    Stefan
war bei seinen Worten zusammen gezuckt. Er ließ tatsächlich die Waffe sinken.
Müde wischte er sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Jule atmete
auf.
    »Tiefer
als jetzt kann ich nicht in der Scheiße sitzen«, flüsterte er. »Die Bullen
kriegen mich sowieso früher oder später. Micha, ich kann nicht mehr.«
    Es
klang zutiefst hoffnungslos.
    »Wenn
du willst, bring ich dich aus dem Tal raus. Du könntest dich ins Ausland absetzen.«
    Stefan
schüttelte den Kopf. »Ich will nur noch für Sonja das Geld beschaffen, danach
sorg ich dafür, dass die mich abknallen. Als freier Mann sterben, das wäre doch
was.« Jetzt sah er den Freund dermaßen mutlos an, dass Jule alle Angst vor ihm
vergaß. Stattdessen keimte Mitleid in ihr auf. Stefan Winter hatte sich
aufgegeben. Das war schrecklich.
    »Das
hier draußen ist nicht mehr meine Welt, weißt du? Um mich tut’s mir nicht leid,
aber um die Kleine. Die ist todsterbenskrank. Ich hab versprochen, ihr zu
helfen.«
    »Jule
könnte aber damit recht haben, dass bei Sonja die undichte Stelle ist. Ist die
einzige Erklärung. Du musst mit ihr reden. Vielleicht hat sie völlig
unabsichtlich das Ganze ins Rollen gebracht.«
    Stefan
sah ihn schräg von der Seite an. »Ich hab längst versucht, zu ihr zu kommen.
Aber im Dorf wimmelt es nur so von SEK-Leuten.«
    Micha
blinzelte ihn völlig verblüfft an. »Sonja ist in Steinbach?«
    »Klar,
sie wohnt seit der Scheidung im Haus ihrer verstorbenen Großeltern. Mitten im
Dorf. Wenn sie nicht gerade im

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