Bleischwer
vom
›Eifelwind‹, schwören auf ihn.«
Der
Kommissar schnaubte verächtlich. »Ich würde den Mann eher als gewaltbereit und
skrupellos bezeichnen. Ist vorbestraft wegen Eigentumsdelikten und
Körperverletzung. So einer ändert sich nicht. Frau Maiwald, ich wundere mich
über Ihren Umgang.«
»Ich
mich allerdings auch!« Das kam von Jörg, der inzwischen völlig versteinert
neben Jule auf der Bank saß. »Jule, erklär mir das!«
»Ich
muss hier gar nichts erklären!« Mit einem Mal wurde sie wütend. »Michael ist
ein guter Bekannter und basta! Und mit dem Mord an Winter hat er nichts zu tun.
Das kann ich bezeugen.«
»Aber
vielleicht geht der Mord an dieser Sonja Bohr auf sein Kerbholz«, gab Wesseling
wie aus der Pistole geschossen zurück. »Oder waren Sie etwa auch Samstagnacht
mit Faßbinder zusammen?«
Sie
wurde rot wie eine Tomate und nickte beschämt.
Am Morgen war der Schnee fast vollständig
weggeschmolzen. Ein strahlend blauer Himmel wölbte sich über den ›Eifelwind‹.
Der Frühling kam; der Sturm hatte ihn hergeweht.
Jules
Augen, vom vielen Weinen gerötet und geschwollen, blinzelten gequält in die
Helligkeit, während sie zum Waschhaus tappte, um zu duschen. Gleich nach dem
Frühstück hatte sie einen Termin auf dem Polizeirevier in Euskirchen. Ihre
Aussage sollte protokolliert werden.
Michael
Faßbinder war noch in der Nacht aus dem Bett geholt und zur Wache geschafft
worden. Sie wusste nicht, ob man ihn dort behalten oder ob er nach Hause hatte
gehen dürfen. Sie hoffte Letzteres. Außerdem betete sie darum, er möge über
seine Beteiligung an dem Bankraub und das Verschwinden der Beute geschwiegen
haben. Wem nützten seine Selbstbezichtigungen nach Stefan Winters Tod noch?
Niemandem! Sie jedenfalls würde über die Zusammenhänge nichts verlauten lassen.
Das
Gespräch mit Jörg nach dem Abgang des Kommissars war zäh und tränenreich
gewesen. Ihr Mann hatte ihr unzählige Fragen gestellt und haufenweise Vorwürfe
gemacht. Seine Verzweiflung hatte sie beschämt. Ihr war nicht klar gewesen, wie
sehr er sie noch liebte.
»Warum
tust du das? Warum zerstörst du unsere Ehe?«, hatte er gestammelt. »Reiche ich
dir nicht mehr? Bin ich dir nicht gut genug?«
Jule hatte
nur mit dem Kopf schütteln können. Sie konnte selber keine Erklärung für ihr
Verhalten anführen. Warum hatte sie die Affäre mit Jan begonnen? Warum jetzt
die mit Michael? Sie hatte geweint, während sie sich fortwährend entschuldigte.
Sie wusste nur, dass ihr Selbstzerstörungstrieb Methode hatte. Kann ich es
nicht ertragen, glücklich zu sein?, fragte sie sich auch heute morgen vor einem
der vielen Spiegel im Waschhaus. Warum mache ich systematisch das kaputt, was
mir lieb und teuer ist? Ihr Spiegelbild antwortete nicht, sondern zeigte
lediglich einen ratlosen Gesichtsausdruck.
Schleunigst
versuchte Jule, ihr Äußeres einigermaßen mit Bürste, Wasser und Schminke zu
restaurieren. Das Ergebnis befriedigte sie nur mäßig. Ihr dunkles lockiges Haar
wirkte matt und widerspenstig, die Haut blieb blass und fleckig. Ihre roten,
rissigen Lippen durchschnitten das Weiß wie eine Wunde. Und ihre Augen … zugeschwollen und gerötet. Trostlos. Nun ja, es gab Wichtigeres.
Jörg
fuhr sie in seinem silbergrauen Audi nach Euskirchen. Schweigend. Die Schuld
fuhr mit. Eine knappe halbe Stunde lang.
Auf der
Polizeiwache wich ihr Mann nicht von der Seite, was ihr einerseits Sicherheit
gab, andererseits das schlechte Gewissen ihm gegenüber verstärkte.
Gerade
betraten Jule und Jörg einen großen belebten Raum, in dem Polizisten zwischen
überquellenden Schreibtischen geschäftig hin-und hereilten oder im Gespräch
mit Zivilisten waren. Jule sah von Weitem Hauptkommissar Wesseling, wie er
seinen massigen Leib zielstrebig durch das Gewusel schob. Sein Lächeln war
jovial und triumphierend zugleich.
Just im
selben Augenblick wurde ein Mann, von zwei Uniformierten flankiert, wenige
Meter entfernt an ihnen vorbeigeführt. Seine Handgelenke waren durch metallene
Handschellen dicht vor dem Bauch fixiert. Der Mann trug den Kopf gesenkt, und
doch erkannte Jule ihn sofort.
Micha.
Ihr Herz setzte aus. Unwillkürlich blieb sie stehen. Auch Jörg stockte. Jule
hatte das Gefühl, sich in Zeitlupe zu befinden. Alle Geräusche um sie herum
schienen zu verstummen. Michael hob das Gesicht. Langsam. Ihre Blicke
begegneten sich. In seinem stand pure Verzweiflung geschrieben. Und Angst,
namenlose Angst. Sie schluckte und wandte sich ab. Sie
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