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Bleischwer

Bleischwer

Titel: Bleischwer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Wünsche
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hielt die Qual in den
meergrünen Augen nicht mehr aus.
    Dann
war das Dreiergespann vorbei. Jule registrierte, dass beide Polizisten den Mann
mit festem Griff in einen der anliegenden Räume dirigierten. Hatte er die Nacht
hier in Gewahrsam verbracht? Wahrscheinlich. Jule wurde jäh aus ihren
Überlegungen gerissen, denn nun war Wesseling bei ihnen angelangt. Lächelnd gab
er erst Jörg, dann Jule seine schwitzig heiße Hand.
    »Schön,
dass Sie da sind«, begrüßte er sie aufgeräumt. »Lassen Sie uns in mein Büro
gehen. Dort ist es ruhiger. Hier geht es mal wieder zu wie im Taubenschlag.
Nicht auszuhalten. Bitte, da entlang.«
    Vage
wies er nach rechts. Ungefähr in die Richtung, in die Michael verschwunden war.
Plötzlich hatte sie fürchterliche Sorge, womöglich noch einmal mit ihm
konfrontiert zu werden. Würde man ihrer beider Aussagen nicht miteinander
vergleichen müssen?
    Doch
Jules Furcht war unbegründet. Wesseling betrat ein anderes Zimmer ganz am Ende
des Flures. Nachdem er die Tür hinter dem Ehepaar geschlossen hatte, verstummte
das hektische Gebrumm von Stimmen und Geräuschen. Einladend schwenkte der
Hauptkommissar seinen Arm, um Jule und Jörg einen Platz diesseits des leer
gefegten Schreibtisches anzubieten.
    »Setzen
Sie sich, setzen Sie sich.«
    Schnaufend
warf er sich selbst in einen voluminösen ledernen Bürosessel.
    »Nun,
wir haben große Fortschritte in dem Fall gemacht«, verkündete er voller
Begeisterung. »Faßbinder wird langsam mürbe.« Prüfend glitt sein Blick zu Jule.
»Der Mann kannte sowohl Sonja Bohr als auch den flüchtigen Schwerverbrecher
Winter. Faßbinders kriminelle Vergangenheit beweist außerdem seinen Hang zu
ungezügelter Brutalität. Und beide Morde wurden überaus gewalttätig ausgeübt.
Frau Maiwald, bitte bedenken Sie noch einmal, wem Sie da leichtfertig ein Alibi
verschaffen. Für uns Fachleute jedenfalls besteht dringender Tatverdacht. Noch
heute wird Faßbinder dem Haftrichter vorgeführt, damit die Untersuchungshaft
angeordnet werden kann.«
    Jule
starrte den feisten Kommissar fassungslos an, dann schaute sie rüber zu Jörg.
Der nickte nur nachdenklich.
    »Michael
kann es nicht gewesen sein!«, begehrte sie auf. Das klang schrill und schmerzte
ihr selbst in den Ohren. »Sowohl Samstagnacht als auch von Sonntag auf Montag
war ich mit ihm zusammen. Er kann weder diese Sonja noch Stefan Winter getötet
haben!«
    »Frau
Maiwald, vielleicht gibt es Lücken, in denen der Mann unbeobachtet war? Eine
Zeitspanne, in der Sie allein blieben? Sicher haben Sie nicht die komplette
Nacht mit Faßbinder verbracht. Frau Maiwald, Ihre Aussage ist von immenser
Wichtigkeit. Und denken Sie daran, Sie kennen ihn kaum. Es wäre ein Leichtes
für ihn, Sie zu täuschen.«
    Stur
schüttelte sie den Kopf. »Er war es nicht! Ganz sicher nicht!«
    Das
Seufzen des Kommissars klang ungehalten. Er vermittelte ihr das Gefühl, sich
wie ein bockiges Kleinkind zu benehmen.
    »Außerdem
wäre es mir lieb, kurz allein mit Ihnen zu sprechen«, ergänzte sie mit fester
Stimme.
    Worauf
Wesseling die Stirn runzelte und erwiderte: »Tut mir leid. Unmöglich. Es ist
unabdingbar, dass eine Kollegin bei der Protokollierung Ihrer Aussage anwesend
ist. Sie wird gleich hier sein.«
    »Das
meinte ich nicht.« Erneut wagte sie einen schnellen Seitenblick zu Jörg. Der
saß mit angespannter Miene und steifer Körperhaltung neben ihr. »Ich würde nur
gerne meine Aussage ohne meinen Mann machen. Das Ganze ist äußerst … belastend für ihn.« Bei diesen Worten kam Leben in Jörg. Er schnellte nach vorn
und taxierte sie misstrauisch.
    »Noch
belastender als jetzt kann es gar nicht werden«, stieß er heftig hervor. »Aber
wenn du es möchtest, gehe ich natürlich. Ich dachte nur, einen Anwalt an deiner
Seite zu haben, wäre in dieser Situation nicht das Schlechteste. Aber gut, du
willst, dass ich dich allein lasse?« Fragend zog er eine Augenbraue in die
Höhe.
    Jule
konnte nur schwach nicken. Sofort sprang Jörg auf, rammte den Metallstuhl nach
hinten und stürmte mit großen Schritten hinaus. Heiße Wut flammte in Jule auf.
Wut auf den fetten Kommissar, dessen Taktlosigkeit den Konflikt mit ihrem Mann
noch verstärkt hatte. Als sie Wesseling nun ansah, bemerkte sie das süffisante
Lächeln in seinen Mundwinkeln. Sie begriff, dass nicht Unsensibilität, sondern
Kalkül sein Verhalten begründete. Ihr Zorn wuchs ebenso wie der Keim der
Verachtung, den der dicke Mann auf diese Weise in sie gepflanzt

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