Bleischwer
schlug zu. Michas Kopf
wurde von der Wucht des Schlages zur Seite geschleudert. Ohne dass er es
verhindern konnte, kippte er vom Sofa und stürzte mit der Stirn auf die Ecke
des Couchtisches. Dann wurde alles in gnädiges Dunkel getaucht. Ein Summen in
den Ohren war das Letzte, was er wahrnahm, bevor sein Bewusstsein ausgeknipst
wurde. Abgestürzt.
Michael
erwachte inmitten gleichmäßigem Gedröhne und sachtem Geschaukel. Obwohl er die
Augen öffnete, blieb die Welt stockdüster, und ein filziges Etwas über dem
Gesicht machte ihm das Atmen schwer. Bewegen konnte er sich auch nicht, was
Panik in ihm auslöste.
Irgendwann
verstand er, dass man ihm die Hände auf dem Rücken zusammengebunden hatte und
dass er halb auf der Seite unter einer Decke lag. Sein Kopf brummte und
hämmerte; von seiner Stirn aus verteilten sich Wellen des Schmerzes und der
Übelkeit in Rumpf und Gliedmaßen. Das Denken fiel ihm schwer. Erst nach
angestrengtem Überlegen schlussfolgerte er, dass er wohl auf der Rückbank eines
fahrenden Autos liegen musste.
Jetzt
kam die Erinnerung Stück für Stück zurück: das wütende Gesicht Theisens, der
schwingende Arm mit der dunkelgrünen Glasflasche, die Explosion in seinem Kopf.
Es musste Theisens Wagen sein, mit dem er abtransportiert wurde, dachte er. Im
Sumpf von Schmerz und Benommenheit fragte er sich, was Jules Ehemann mit ihm
vorhatte. Jetzt gerade hörte er dessen Stimme vom Fahrersitz. Er drehte den
pochenden Kopf hin und her, sodass die Decke ein wenig von den Ohren rutschte.
Ja, so konnte er besser verstehen, was Theisen sagte.
»Wohin
mit Faßbinder?«, hörte er den Mann sprechen, offenbar in sein Handy. »Süße, du
musst mir helfen.«
Theisen
klang gehetzt. Micha dachte für einen Moment, er telefoniere mit Jule. Es tat
weh zu glauben, sie habe womöglich die Seite gewechselt. Bei den nächsten
Worten begriff er, dass er sich geirrt hatte. Gott sei Dank.
»Er
blutet aus der Stirn und ist bewusstlos, mehr fehlt dem Arschloch nicht«, sagte
der Anwalt gerade abfällig. »Ich will nur, dass er von Jule fernbleibt. Ein für
allemal.«
Dann
war Ruhe. Wahrscheinlich hörte er sich die Ratschläge der fremden Frau an.
Süße, wer konnte das sein? Nach einer Weile vernahm Micha ein zustimmendes
Brummeln. Und noch eines. Irgendwann räusperte sich Theisen.
»Gute
Idee, so mache ich es«, sagte er offensichtlich erleichtert. »Wär’ doch
gelacht, wenn der Typ nicht bald aufgäbe. Der soll sich verpissen und nicht
alles kaputtmachen. Ich droh ihm also mit der Polizei. Es ist doch auch in
seinem Sinne, nicht verhaftet zu werden. Ja, du hast recht.« Erneut legte er
eine Sprechpause ein, bevor er wieder auf die ›Süße‹ am anderen Ende der
Leitung einredete, deutlich leiser diesmal und in besänftigendem Tonfall.
»Nein, nein. Keine Sorge, die Unterlagen sind alle in der Kanzlei auf der
Drususallee, nicht zu Hause. Bei den alten Akten. Da geht keiner dran, nicht
mal Lohmann. Okay, ich melde mich, wenn ich das Schwein losgeworden bin. Bis
später, Süße.«
Nun
wusste Micha, was er zu tun hatte: sich schlafend stellen und abwarten. Nach
einer weiteren Viertelstunde Fahrt, jetzt über holprige Wege, hielt der Wagen
plötzlich an. Der Motor erstarb und der Fahrer stieg aus. Dann wurde die Tür
hinten rechts aufgerissen, dort, wo Michaels Kopf unter der Wolldecke lag.
Theisens Hände krallten sich unter die Achseln seines Gefangenen und zogen und
zerrten.
Auf
diese Weise wurde Micha aus dem Auto gewuchtet. Er tat weiterhin so, als sei er
ohne Bewusstsein, selbst als die hinter dem Rücken gefesselten Hände über die
Metallschnalle eines Gurtes ratschten und ihm den linken Unterarm aufrissen.
Bald
hatte Jörg Theisen sein Opfer aus dem Wagen befördert. Unsanft ließ er ihn zu
Boden fallen. Micha landete auf Gras und Matsch. Er öffnete die Augen einen
Spalt breit und beobachtete, wie Jules Mann erst die Decke zurück in den Wagen
stopfte und dann unter den Beifahrersitz griff. Im blassen Mondlicht sah Micha
die Weinflasche glänzen und funkeln. Theisen holte weit aus. Jetzt gibt er mir
den Rest, dachte Micha und kniff die Augen fest zu. Da hörte er es in einiger
Entfernung platschen. Nun erst nahm er ein leises Glucksen wahr. Hatte der
Rechtsverdreher die Tatwaffe in ein Gewässer geworfen? Musste wohl. Bevor er
sich darüber weiter den Kopf zerbrechen konnte, spürte er erneut Hände, diesmal
an Schulter und Hüfte. Er kollerte zur Seite, lag jetzt auf dem Bauch. Aber
dabei beließ
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