Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
Schock, Emilys Panik ... und meine eigene.
„ Deine Flügel, wenn du so willst, funktionieren auch über die Augen deines Schützlings, ja“, erklärte Michael.
Nun, d iese Information wäre auch früher schon durchaus brauchbar gewesen, aber ...
Später! !!
„Genau!“, stimmte er zu.
Es dauerte noch ein paar Sekunden, bis ich den Schock verwunden hatte , mich endlich vorsichtig aufrichtete und leise an die Holzkistenwand heranschlich. Niemand konnte mich hier sehen, niemand ahnte, dass ich hier hinten steckte. Wie auch, wenn es nur den einen Eingang am entgegengesetzten Ende der Halle gab. Dort, wo Jim alles unter Kontrolle hatte. Es gab keine Hintertür, und die hochgelegenen Fenster waren viel zu klein, als dass man sie für einen Übergriff hätte nutzen können. Jims Leute hatten die Feuerleitern abmontiert, vermutlich um zu vermeiden, dass Schützen auf das Dach gelangten.
Nein, es bestand kein Zweifel: Jims Fokus war nach vorne ausgerichtet, von hinten drohte ihm keine Gefahr – davon war er überzeugt. Und er hatte dieses Ding schließlich akribisch geplant.
Die einzige Überraschung konnte ich ihm bescheren.
N ur ich.
Denn mich sah hier, hinter dieser provisorischen Wand, niemand. Weder er, noch die Cops. Ich fand eine schmale Spalte zwischen den Kisten, durch die ich die Situation weiter beobachten konnte. Es war gut, nicht mehr an Emilys Gedanken gebunden zu sein. So hilfreich die auch gewesen sein mochten, auf diese Art fühlte ich mich wesentlich freier. Besonders, weil sie es zurzeit nicht war. Ganz und gar nicht.
Jim unterbreitete seinem unfreiwilligen Publikum derweil weiter seine Inszenierung , die wie der Auszug eines skurrilen Märchens klang:
„Jedenfalls fragte sich der Assistent des großen Regisseurs eines Tages, wie er es schaffen könnte , endlich aus dessen Schatten zu treten. Einfach, um der Welt zu beweisen, dass mehr in ihm steckte. Und da kam ihm dieser eine Gedanke, wie eine Erleuchtung: Die größten Künstler sind doch immer die, die nicht mehr unter uns weilen, ist es nicht so? Also, David, pass gut auf und verwackle diese Aufnahme nicht. ... Vielleicht zoomst du auf meinen Mund.“
Das war kein simpler Vorschlag, sondern ein getarnter Befehl. Und so wartete Jim, bis Emilys Dad reagiert hatte. Die Cops, die links und rechts von David standen, warfen sich derweil einen schnellen aber sehr aufschlussreichen Blick zu, der mir nicht verborgen blieb. Sie hatten keine Macht gegen diesen Mann. Was er plante, zeichnete sich auch für sie immer deutlicher ab und brachte alle Pläne der angerückten Einheit zum Schwanken. Was konnten sie gegen die Logik eines Wahnsinnigen ausrichten?
„Alles gut?“, wisperte Jim. „Stimmt die Aufnahme? Los, Dave, komm schon, gib mir das Zeichen.“
Emilys Dad , der mit Sicherheit vor Angst kaum noch stehen konnte, dem in dieser Situation aber nichts anderes übrig blieb, als sich auf die Professionalität der hinter ihm stehenden Cops zu verlassen, hob in einer zittrigen Bewegung seinen Daumen.
I ch wählte den Moment, um in die Hocke zu gehen und – ohne bewusst darüber nachzudenken – eine am Boden liegende Eisenstange zu ergreifen. Erst, als ich sie völlig lautlos anhob und fest umklammerte, fiel mir wieder ein, sie bei meinem Erscheinen dort unten liegen gesehen zu haben.
„Noah, Noah!“, schrie Emily panisch in ihren Gedanken. Sie litt Todesängste, weinte nun wieder stärker, zitterte am ganzen Leib und schluchzte dabei so laut, wie es ihre schwindende Beherrschung einforderte. Die Anspannung, die in diesen Sekunden in der Halle herrschte, war zum Schneiden dick.
Unter Emilys Verzweiflung spürte ich den dumpfen Schmerz, als Jim ihr den Lauf seiner bereits entsicherten Pistole viel fester als zuvor gegen die Schläfe presste. Im selben Augenblick stellte ich mir vor, wie David ihn auf dem Display der Kamera nun vor sich sah: Nur seinen breiten Mund, der sich zu einem triumphalen Grinsen verzog.
„Ihr seid machtlos “, erklärte Jim nahezu genießerisch. „Nicht nur, dass mir das Leben deiner Kleinen egal ist, Dave. Mein eigenes ist es auch. Dies ist der letzte Auftritt meines Lebens und – traurig genug – der einzig entscheidende. Der, für den man mich in Erinnerung behalten wird. Meine eigene Premiere, mein Roter Teppich, mein Filmfestspiel, mein großer Abgang. Und dir, werter David, großer Regisseur ...“ Er dehnte diese Worte ins Unerträgliche, „... bleibt nichts anderes übrig als zu filmen, wie ich
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