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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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ab, ihr Teller folgte umgehend. »Warum kannst du dich nicht einfach aus den Sachen raushalten, die dich nichts angehen?«
    »Ich verstehe nicht, was das Problem ist, wenn ich Garret von dir erzähle. Ihr standet euch früher so nahe, und er vermisst dich. Er ist dein Bruder, und …«
    Sie stand auf. »Er ist mein Halb bruder. Und wir waren uns als Kinder nahe, bis ihr beide angefangen habt, euch gegen mich zu verbünden.«
    »Gegen dich zu verbünden? Du meinst, als wir versucht haben, dir zu helfen?« Ging es darum? Hatte sie das Gefühl, Garret und ich hätten uns gegen sie zusammengeschlossen?
    Sie lachte verbittert. »O ja, du warst echt eine große Hilfe, Mom.«
    »Lisa, kannst du dich bitte hinsetzen und mir erklären, was dich so wütend macht?«
    »Sprich nicht mit ihm über mich, mit niemandem. Das ist mein Leben.« Mit diesen Worten stakste sie davon. Ich blieb zurück, starrte auf mein halbaufgegessenes Toastbrot, und meine eigenen Ängste wuchsen. In der letzten Nacht wäre sie fast gestorben, und trotzdem übernahm sie keine Verantwortung für die Probleme in ihrem Leben. Nächstes Mal könnte es damit enden, dass sie einen Hirnschaden erlitt oder zusammengeschlagen oder vergewaltigt in der Gosse lag – wenn sie nicht gleich an einer Überdosis starb. Ich folgte ihr durch den Flur zu ihrem Zimmer, aber als ich anklopfte, hörte ich nur das Wasser in der Dusche rauschen.
    Stunden später war sie immer noch nicht wieder aufgetaucht, und es war unverkennbar, dass sie heute Abend nicht mehr aus ihrem Zimmer kommen würde. Ich ließ sie in Ruhe. Wahrscheinlich war es ohnehin besser, bis zum nächsten Morgen zu warten, ehe wir wieder miteinander sprachen – dann waren wir beide hoffentlich etwas entspannter.
    Doch am Morgen war sie verschwunden. Den Stoffhusky hatte sie mitgenommen.

25. Kapitel
    Da ich erwartet hatte, mit Lisa zu Hause zu bleiben, hatte ich mir den nächsten Tag freigenommen. Stattdessen verbrachte ich jetzt meine Zeit damit, wie besessen zu putzen, während ich in Gedanken immer wieder unseren Streit von gestern Abend durchging. Was hatte ihn ausgelöst? Offensichtlich ärgerte sie sich über meine Beziehung zu Garret – was mich überraschte. Eifersucht unter Geschwistern war ganz normal, aber die beiden hatten einander nahegestanden. Erst nach Pauls Tod lebten sie sich auseinander, als Lisa sich von jedem zurückzog. Hatten sie irgendeinen Streit gehabt, von dem ich nichts wusste? Oder hatte ich ihm, als ich mit dem Verlust von Paul zurechtzukommen versuchte, zu viel Verantwortung aufgebürdet? Lisa, die schon in ihren besten Zeiten Probleme mit Autoritäten hatte, hätte mir das übelgenommen.
    Beim Staubwischen stellte ich fest, dass meine Handtasche anders lag als vorher. Mit einem scheußlichen Gefühl durchsuchte ich meine Geldbörse. Fünfzig Dollar fehlten.
    Als Lisa mich das erste Mal bestohlen hatte, war ich wütend gewesen, trotz aller Sorgen hatte ich mich verraten gefühlt. Dieses Mal empfand ich nur Kummer und Traurigkeit – und Angst, als ich mir ausmalte, was sie mit diesem Geld anfangen würde. Was, wenn sie sich wieder Drogen kaufte und erneut eine Überdosis nahm? Der Gedanke raubte mir fast den Verstand, doch ich riss mich am Riemen und versuchte mir klarzuwerden, was ich von alldem halten sollte.
    Im Gästezimmer setzte ich mich in den Sessel neben dem Bett, versuchte an Lisa zu denken und mit ihr Verbindung aufzunehmen. Ich schloss die Augen, atmete tief ein und aus, ließ meinen Geist zur Ruhe kommen. Irgendetwas, das ich gesagt hatte, hatte Lisa verletzt, aber ich kam nicht drauf, was es war. Außerdem war sie wütend, weil ich ihr nicht glaubte, obwohl ich zu meiner Ehrenrettung sagen musste, dass sie mir keinen guten Grund genannt hatte, ihr zu vertrauen. Warum hatte sie das Geld gestohlen? Ich hörte ihre Stimme in meinem Kopf: Du erwartest das Schlimmste von mir, dann bekommst du auch das Schlimmste .
    Der Gedanke machte mich traurig, und ich wollte das Zimmer gerade verlassen, als ich ein Stück Papier unter dem Bett aufblitzen sah. Ich hob es auf.
    Es war ein Flyer vom River of Life Spiritual Center.
    Ungläubig starrte ich den Prospekt an. Woher hatte Lisa ihn? Hatte jemand ihr den gegeben? Mein Blick fiel auf den letzten Slogan: »Wir heilen dich an Körper, Geist und Seele.«
    Lisa war das perfekte Ziel, sie hatte keinen festen Wohnsitz, war von ihrer Familie entfremdet, und, im Moment, extrem verletzlich. Ich dachte an ihre Frage vom Abend zuvor, nach

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