Blick in Die Angst
begann schließlich im Boden zu scharren. Er schnüffelte noch ein paarmal, dann machte er Sitz und sah Ken an. Ein Schauder kroch wie eine Spinne über meinen Nacken.
Steve und Ken begannen zu graben, während der Hund und ich zusahen. Der Regen wurde stärker, und ich zog die Kapuze über den Kopf und lief ein wenig auf der Stelle, um mich warmzuhalten. Keiner der Männer machte Anstalten aufzuhören, sie ächzten vor Anstrengung, ihr Atem quoll in dicken Schwaden aus ihren Mündern. Ich war völlig steif und schob die Hände in die Armbeugen, mein ganzer Körper wartete . Vor meinem geistigen Auge tauchten Bilder von blanken weißen Knochen in der feuchten Erde auf. Steve hielt inne, richtete sich auf und starrte hinunter. Ich hielt den Atem an und trat unwillkürlich näher.
Er warf mir einen raschen Blick zu und sagte: »Nur mal strecken«, und rieb sich den Rücken. Verlegen blieb ich stehen. Sie gruben noch etwas tiefer, und die Anspannung in meinem Körper ließ nach. Es würde eine Weile dauern, tief genug zu graben. Die Erde war schwer und nass, und sie mussten sich durch Wurzelwerk und Steine kämpfen. Ich wanderte erneut herum, wobei ich stets in Sichtweite blieb. Die Männer mühten sich mit einer widerspenstigen Wurzel ab, dann hielten sie inne und schauten auf etwas hinunter. Ihre Stimmen waren so leise, dass ich sie über den Lärm des Flusses hinweg nicht verstehen konnte. Ein leichtes Schwindelgefühl packte mich, als ich zu ihnen zurückkehrte.
Steve drehte sich zu mir um. »Sieht aus wie der Kadaver eines Tieres, vielleicht einer Ziege oder so etwas.«
Ich stieß die Luft aus. »Gott sei Dank.«
»Wir werden das gesamte Gelände absuchen«, sagte Ken. »Vielleicht zeigt Wyatt noch irgendwo Interesse.«
Ich nickte. Während Ken und Wyatt mit Steve im Schlepptau sich an die Arbeit machten, sah ich mir das Camp genauer an. Weitere Erinnerungen tauchten auf, als ich mich einer der Hütten näherte und ich die Mulde wiedererkannte, in der ich mich damals versteckt hatte. Ich ließ mich auf die Knie fallen und spähte ins Dunkel, dann drehte ich mich um und schaute nach, was ich gesehen haben könnte – vor allem das Lagerfeuer. Ich ging hinter eine der Hütten und starrte auf eine Lichtung. Ich erinnerte mich, wie wir dort in der Gruppe gechantet und alle gemeinsam geatmet hatten. Ich ging um die Wiese herum und meinte fast, Aarons Stimme zu hören.
Ich kann all euer Leiden beenden.
Vor einigen Pflanzen am Wegrand blieb ich stehen, ein Bild tauchte aus meiner Erinnerung auf: ein Meer aus rotem Mohn in voller Blüte. Aaron hatte erzählt, seine Farbe symbolisiere die Wiederauferstehung nach dem Tod, und sie sammelten die Samenkapseln, vermutlich, um Opium zu gewinnen. Ich streckte die Hand aus und berührte eines der Blätter. Eine weitere Erinnerung überwältigte mich.
Ich liege auf dem Boden. Aaron hat eine Hand fest in mein Haar gewickelt, und er atmet mir keuchend ins Ohr, als er anfängt, mir die Shorts auszuziehen. Auf der Suche nach Hilfe strecke ich die Hände aus, aber ich finde nur Mohnblumen. Ihr übelkeitserregender, süßlicher Duft steigt mir in die Nase. Die Luft ist so heiß, dass ich die Rinde der Erdbeerbäume abfallen höre, die sich in der Sonne schälen. Bruchstücke davon brechen ab und schweben spiralig immer tiefer nach unten, wie braune Schmetterlinge.
Steves Stimme riss mich aus der Erinnerung. »Nadine.«
Im ersten Moment wusste ich nicht, wo ich war. Ich blickte auf das zerknüllte Blatt in meiner Hand, gefangen irgendwo zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Wann war ich mit Aaron auf der Wiese gewesen? Was war noch geschehen?
Steve rief erneut, lauter dieses Mal. »Nadine?«
Ich ließ das Blatt fallen und wischte mir den Blütensaft von der Hand, während ich mich umdrehte. »Ja?«
»Wyatt hat das Gelände grob abgesucht, aber keinen Alarm geschlagen. Wir werden jetzt noch ein paar Stellen genauer unter die Lupe nehmen, aber er verliert langsam das Interesse.« Er bemerkte, dass ich meinen Oberkörper fest umklammert hielt. »Wenn Sie lieber gehen möchten, kann ich …«
»Ich bleibe.«
Ich folgte Steve zurück zur Mitte des Camps und blieb in seiner Nähe, während Wyatt das Gelände gitternetzförmig absuchte. Auch am Flussufer schnüffelte er herum. Der Hund bewegte sich langsamer als vorher, der Schwanz hing nach unten.
Schließlich sagte Ken: »Der ist geschafft.«
Ich ging mit ihnen zurück zu unseren Fahrzeugen. Als Ken Wyatt hinten in den Truck
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