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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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Auto. Allmählich brachte es mich in Rage, wie er meinen Fragen auswich – wie er mir auswich. Ich ging um den Schlauch herum, bis ich in seinem Blickfeld stand. Er schaute immer noch nicht auf.
    »Was ist passiert? Ihr beide wart früher eng befreundet.«
    »Menschen ändern sich.« Endlich sah er mich an. »Rede nicht mit ihm über etwas, von dem du nicht willst, dass es ganz Shawnigan erfährt. Er hat eine große Klappe.«
    »Du hast also nie mit ihm gesprochen, seit er wieder hier ist?«
    Er zögerte, nur einen winzigen Moment. »Nein.«
    Mein Bruder hatte mich erneut belogen.

    Nachdem ich mich von Robbie verabschiedet hatte, dachte ich über unsere Unterhaltung nach. Dass er mich davon abzuhalten versucht hatte, mit Levi zu sprechen, war offenkundig, aber aus welchem Grund? Ich wollte unsere sich langsam wiederentstehende Beziehung nicht aufs Spiel setzen, aber ich hatte das Gefühl, dass Robbie mir etwas verschwieg – etwas, über das Levi Bescheid wusste. Einerseits war ich mir nicht sicher, ob ich dieses Fass aufmachen wollte, andererseits war ich bereits zu weit gegangen, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen. Immer noch mit meiner Loyalität meinem Bruder gegenüber ringend, beschloss ich, den langen Weg um den See herum zu nehmen, an der Marina vorbeizufahren, die Lage zu peilen und bei der Gelegenheit vielleicht Levi zu entdecken.
    Wie es der Zufall wollte, machte gerade ein Mann sein Wasserskiboot am Kai fest, als ich mich dem Hafen näherte. Sein rotblondes Haar stach mir sofort ins Auge. War das Levi? Ich besah ihn mir genauer. Er war es, ganz eindeutig. Jetzt wurde mir auch klar, wen ich neulich beim Laden am Münztelefon gesehen hatte.
    Ich drosselte mein Tempo auf Schrittgeschwindigkeit, immer noch hin- und hergerissen, ob ich mit ihm reden sollte. Er sprang aus dem Boot und begann, es zu vertäuen, dann drehte er sich um, als würde er spüren, dass ihn jemand beobachtete, und suchte den Parkplatz ab. Unsere Blicke trafen sich. Zuerst wirkte er irritiert, dann folgte ein Moment bestürzten Wiedererkennens und erneute Verwirrung. Er kannte mich, wusste aber nicht mit Sicherheit, woher. Ich stellte den Wagen ab. Er fuhr fort, das Boot zu vertäuen, wobei er hin und wieder in meine Richtung blickte.
    Ich ging auf ihn zu. Mein Magen zog sich plötzlich zusammen, meine Hände wurden klamm. Ich schob es auf den schwankenden Kai, holte ein paarmal tief Luft und stellte mich breitbeiniger hin. »Hallo, Levi. Ich bin nicht sicher, ob du dich an mich erinnerst …«
    Er hielt inne und betrachtete mein Gesicht erneut. Ich wollte ihm gerade meinen Namen nennen, als er sagte: »Du bist Nadine.«
    Seine Verwirrung hatte nichts damit zu tun gehabt, dass er mich nicht erkannt hätte, sondern rührte von etwas anderem her. Ich hatte seine Miene fehlgedeutet. Noch jemand, der nicht an seine Zeit bei der Kommune erinnert werden wollte?
    »Du erinnerst dich an mich?«
    »Du siehst genauso aus wie deine Mutter. Ich dachte, ich hätte ein Gespenst gesehen.«
    Mir erging es genauso. Ich hatte plötzlich das Bild von Coyotes erschlafftem Körper vor Augen, dem das Wasser aus dem offenstehenden Mund floss. Ich schüttelte den Gedanken ab.
    Wir musterten einander. Ich fühlte mich unbehaglich, wusste aber nicht, warum. Dann wehte eine kalte Bö vom See heran und ließ mich erzittern. Levi bemerkte es und sagte: »Wollen wir in mein Büro gehen?« Er deutete hinter mich. Ich drehte mich um und sah die kleine Hütte neben dem See, mit einem eigenen kleinen Anleger, an dem mehrere Motorboote, Jet-Skis und Tretboote in Reih und Glied lagen. Die meisten waren noch für den Winter abgedeckt.
    »Gerne, das ist vielleicht besser.«
    Von seinem Büro aus, das sich im vorderen Zimmer der Hütte befand, führte eine Tür in den Teil des Gebäudes, wo ich den Wohnbereich vermutete. Er bot mir Kaffee aus einer alten Kaffeemaschine an, die schon bessere Tage gesehen hatte. Ich lehnte ab und sah zu, wie er sich selbst eine Tasse einschenkte und sich hinter seinen Schreibtisch setzte, mit dem Stift auf einen Notizblock tippend. Er hatte das Aussehen eines in die Jahre gekommenen Surfers und war von dünner, fast hagerer Statur. Sein Gesicht war sonnengegerbt. Er wirkte rastlos und aufgekratzt und sah mir nie richtig in die Augen. Er schniefte häufig und warf den Kopf mit einer raschen Bewegung zurück. Drogen?
    »Und, was führt dich hier hoch?«
    Mir fiel auf, dass er das Wort »hoch« benutzte. Er wusste also, dass ich in

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