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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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scheußlich«, weckten Zweifel in mir – es klang, als wollte er mich überzeugen, dass er sauer war. »Wie nennt sich das noch mal?«, fügte er hinzu. »Psychogene Amnesie?«
    Ich nickte. »Genau.«
    »Und die Erinnerungen sind einfach so wiedergekommen?«
    »Ein paar. Auf einige musste ich mich bewusst konzentrieren.«
    »Ist so was vor Gericht nicht ziemlich schwer zu beweisen?«
    »Ja, und genau darum versuche ich, weitere Zeugen zu finden.«
    Er seufzte. »Ich wünschte, ich könnte helfen. Ich weiß noch, dass du viel Zeit mit Aaron verbracht hast. Ihr beide wart ständig unten am Fluss, aber ich habe nie irgendwas gesehen, verstehst du?« Er machte ein enttäuschtes Gesicht, sein Tonfall sagte: Tut mir leid, ich kann dir nicht weiterhelfen .
    Ich überlegte, wie das Gericht diese Tatsachen bewerten würde, wie das alles auf andere Menschen wirken musste. Er war ein netter Mann, der nur versucht hat, ihr das Schwimmen beizubringen. Sie denkt sich das alles aus.
    Ich blinzelte ein paarmal und räusperte mich. »Und was ist mit später, nachdem ihr nach Victoria gezogen seid? Hast du irgendwelche Gewalt oder Misshandlungen mitbekommen? Du hast gesagt, sie wären ›irre‹. Könntest du das vielleicht etwas genauer erklären?«
    Er hatte angefangen, mit seinem Stuhl hin- und herzuschaukeln, doch jetzt hielt er abrupt inne. »Ich hab dir doch gesagt, ich rede nicht gern darüber, okay?«
    Also hatte er tatsächlich etwas gesehen.
    Ich sagte: »Okay, das respektiere ich. Ich wollte nichts aufwühlen. Ich weiß, wie schmerzhaft solche Erinnerungen sein können.«
    Er schaute weg, stand auf und schenkte sich eine weitere Tasse Kaffee ein. Sollte ich erwähnen, dass Steve Phillips mir erzählt hatte, Levi habe eine Frau mit Finn zusammen gesehen? Doch als Levi etwas Kaffee über seine Hand schüttete, fluchte und die verbrühte Stelle an den Mund hielt, hatte ich das Gefühl, seine Geduld bereits genügend strapaziert zu haben. Er hatte seine Geschichte aus einem bestimmten Grund widerrufen, den preiszugeben er nicht willens war. Zumindest bisher nicht.
    Als er wieder saß, fragte ich: »Erinnerst du dich an Willow?«
    Er nickte, sein albernes Grinsen war wieder da. »Ja, sie war richtig nett. O Mann, dein Bruder war vielleicht scharf auf sie.« Er lachte. »Als sie abhaute, war ich sicher, dass er ihr nachlaufen würde. Irgendwie hatte ich gehofft, er würde es tun – und mir die anderen Mädels überlassen.«
    Er lachte schallend über seinen Witz, bis sein Gesicht rot anlief. Doch ich spürte, dass seine Jovialität nur die Wahrheit verbergen sollte. War Levi auf meinen Bruder eifersüchtig gewesen? Hatte das ihren Streit in jenem Sommer entfacht und schließlich zum Ende ihrer Freundschaft geführt? Es hörte sich nicht so an, als hätte er irgendwelche Hinweise darauf, wo Willow sich heute aufhielt, trotzdem fragte ich: »Hast du mal von ihr gehört?«
    »Von Willow?« Überrascht legte er den Kopf schräg. »Zum Teufel, nein. Nicht, seit sie damals eines Morgens abgehauen ist.«
    »Du hast sie weggehen sehen?«
    »Nein, das letzte Mal sah ich sie, als …« Er blinzelte, als würde er nachdenken. »Wir waren alle auf unserem Besinnungsspaziergang, aber ich erinnere mich nicht, dass sie dabei gewesen wäre.« Sie war nicht mitgekommen, aber ich wartete darauf, dass er seine eigenen Erinnerungen durchforstete. »Als wir zurückkamen, sind wir alle schwimmen gegangen …« Er schwieg, dachte nach und schüttelte den Kopf. »Nee, ich glaube nicht, dass sie mit am Fluss war, also habe ich sie wohl das letzte Mal vor dem Spaziergang gesehen.« Er sah mich an. »Wieso fragst du nach Willow?«
    »Nur so, ich musste einfach an sie denken. Ich mochte sie gerne.«
    »Wir mochten sie alle. O Mann, ich frage mich, wie sie heute wohl aussieht.«
    Er machte ein nachdenkliches Gesicht, als er versuchte, sich eine ältere Willow vorzustellen. Ich beobachtete ihn über den Schreibtisch hinweg, seine gealterte Haut und das vom Wind zerzauste Haar, und fing mein eigenes Spiegelbild im Fenster hinter ihm auf. Einen Moment lang meinte ich fast, die Geister der jüngeren Ausgaben von uns zu erblicken: mein schwarzes, geflochtenes Haar, sein jugendlicher, schlanker Körper und das Grinsen mit den breiten Lücken zwischen den Zähnen. Ich sah auch Willow mit ihrer gebräunten Haut und hörte ihr heiseres Lachen. Hatte sie jetzt kurze oder lange Haare? Hatte sie sich gut gehalten? War sie glücklich?
    »Ja, ich frage mich auch, wie

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