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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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Victoria lebte. Mit wem hatte er gesprochen? Ich versteifte mich, blieb jedoch freundlich, als ich sagte: »Woher weißt du, dass ich nach Victoria gezogen bin?«
    Seine Augen wurden schmal, als würde er nachdenken, dann zuckte er die Achseln. »Keine Ahnung, irgendjemand muss es mal erwähnt haben.« Ich dachte an den Tag, an dem ich ihn außerhalb des Museums am Telefon gesehen hatte, und argwöhnte, dass er anschließend hineingegangen war und nach mir gefragt hatte.
    »Ich habe Robbie besucht.«
    »Und was treibt er so? Fährt er immer noch Bagger?«
    Ich nickte. Er wusste also wenig über Robbie. Ich wollte mir von ihm nicht in die Karten schauen lassen, aber ich wollte testen, ob Robbie gelogen oder ob er tatsächlich nicht mit ihm geredet hatte. »Es scheint ganz gut zu laufen für ihn, aber das weißt du ja vermutlich.«
    Er tippte erneut mit dem Stift auf. »Hab Robbie seit Jahren nicht mehr gesehen, nur ab und zu seinen Truck im Ort.«
    Ich beschloss, gleich zur Sache zu kommen. »Warum hast du die Kommune verlassen?«
    Er hörte auf, mit seinem Stift herumzutrommeln, und lächelte sein albernes Grinsen, das mich daran erinnerte, wie glücklich er als Jugendlicher gewesen war. Zumindest, bis sein Vater starb und das Grinsen seltener wurde.
    »Das ist eine ziemlich persönliche Frage.«
    »Du willst sie also nicht beantworten?«
    Er lachte. »Das ist mir egal, ich fand die Frage nur witzig. Ich bin weggegangen, weil die irre sind.«
    »Ich habe gehört, dass einige üble Sachen da vor sich gehen.«
    Sein Lächeln wurde schwächer. »Aaron ist ziemlich verrückt, o Mann. Echt richtig durchgeknallt.« Seine Stimme bekam einen bitteren Klang. »Er hat diesen ganzen Kram über Freiheit gepredigt, aber dann hat er beim Pot und allem die Zügel kurzgehalten. Ich habe diesen Ort gehasst.«
    Aaron hatte Marihuana unsere Erlösung genannt, weil wir damit jenem Zustand der Glückseligkeit am nächsten kämen, den wir auf der anderen Seite erleben würden. Aber keines der Mitglieder durfte etwas für den persönlichen Gebrauch besitzen, Aaron allein teilte es aus. Wenn Levi ein Drogenproblem hatte, wie ich vermutete, musste es für ihn im Zentrum hart gewesen sein. Doch ich spürte, dass sich hinter seinem Zorn noch etwas verbarg, Verlegenheit und Scham. Hatte man ihn womöglich rausgeworfen?
    »Kannst du mir mehr erzählen?«
    »Ach weißt du, ich versuche, nicht an diese Zeit zu denken. Ich lebe lieber nur für das Heute.« Er deutete auf den See. »Das ist jetzt meine Religion.«
    Für das Heute leben – oder eher vor der Vergangenheit davonlaufen?
    »Lebt deine Mutter noch dort?«
    »Nein, sie ist gestorben, bevor ich wegging.« Als er sich mit der Hand durchs Haar strich, klaffte der Ärmel seines Sweaters auf und enthüllte eine sichelförmige Narbe. Er bemerkte meinen Blick, ließ den Arm hastig wieder sinken und beobachtete mich. Das Lächeln war verschwunden, als erwarte er, dass ich eine Bemerkung dazu machte. Ich dachte an Mary. Rührte seine Narbe ebenfalls von einer Bestrafung her? Dieses Mal kamen mir keine Erinnerungen, aber ich fühlte mich unbehaglich.
    »Hast du die Narbe in der Kommune bekommen?«
    Er lachte. »Nee, ich hab nur eines Abends getrunken und auf dem Boot Blödsinn gemacht.« Er lachte erneut, aber es klang nicht aufrichtig. Ehe ich den Grund dafür erfassen oder nach Details fragen konnte, wechselte er das Thema. »Warum fragst du nach der Kommune? Schreibst du ein Buch oder so etwas?«
    Er sagte es, als wollte er einen Witz machen, aber ich hatte den Eindruck, dass er mit der jungen Frau im Museum gesprochen hatte und jetzt herauszufinden versuchte, was ich vorhatte.
    Ich beschloss, sofort auf den Punkt zu kommen, vielleicht würde ich ihn so überrumpeln und zu einer aufrichtigen Antwort verleiten. »Ich leide seit Jahren an Klaustrophobie und Gedächtnisausfällen.« Ich erklärte ihm, was eine psychogene Amnesie ist, ließ jedoch Heather unerwähnt und sagte nur, dass ein Ereignis vor kurzem Erinnerungen über den sexuellen Missbrauch in mir wachgerufen hatte. »Jetzt versuche ich Leute aufzuspüren, die in der Kommune gelebt haben, um herauszufinden, ob es noch weitere Opfer gibt.« Ich beschloss, auch Tammy und Mary vorerst nicht zu erwähnen.
    Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, seine Miene der Inbegriff schockierter Betroffenheit. »O Scheiße, o Mann, tut mir echt leid, das zu hören.« Sein Blick wirkte aufrichtig, aber die Art, wie er sagte: »O Mann, ist das

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