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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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Hände unter meinem Hemd, während er mir ins Ohr keucht: Du musst deine Angst loslassen, die Angst vor deinem Körper .
    Ich trat einen Schritt vor. »Wenn du sie anrührst, werde ich …«
    »Du wirst gar nichts.« Er trat ebenfalls vor. »Lisa ist bereit für die spirituelle Erweckung – und sie ist bereit, dafür zu tun, was immer nötig ist. Und du?«
    »Meine Seele muss nicht gerettet werden – sondern deine. Ich erinnere mich daran, was du mir als Kind angetan hast.«
    »Du bist zur Polizei gegangen.«
    Kein Leugnen, aber auch keine Bestätigung.
    »Und ich werde keine Ruhe geben.«
    Er machte eine Geste, die den Raum mit einschloss. »Aber nichts ist passiert. Ich bin immer noch hier.« Er atmete tief ein und hob beide Hände über den Kopf, dann ließ er den Atem langsam wieder entweichen, während er die Arme senkte und vor seiner Brust klatschte, ehe er sie ganz sinken ließ. Er sah mich mit friedlicher Miene an. »Das Licht sieht immer zu. Und er weiß, dass ich nichts falsch gemacht habe.«
    »Es ist falsch, minderjährige Mädchen anzufassen.«
    »Wenn das, was du sagst, wahr wäre, hätte die Polizei mich verhaftet.«
    Meine Ohnmacht machte mich rasend. Offensichtlich war er schlau genug, in Erwägung zu ziehen, dass ich verkabelt sein könnte, und seine Antworten dementsprechend abzuwägen.
    »Du bist Ärztin geworden«, fuhr er fort. »Nach dem Tod deines Mannes muss es sehr schwer für dich gewesen sein.«
    Woher wusste er so viel über mich? Hatte Lisa es ihm erzählt? Die Vorstellung, die beiden könnten über mich reden, erschreckte mich, aber ich hielt meine Zunge im Zaum.
    »Lisa hat mir erzählt, dass du nicht an ein Leben nach dem Tod glaubst oder dass geliebte Menschen zu einem Besuch zurückkehren können. Nur weil du etwas nicht sehen kannst, bedeutet es nicht, dass es nicht existiert.«
    Ich ließ mich nicht auf sein Spielchen ein. »Ich möchte mit meiner Tochter sprechen.«
    Er lächelte, dann griff er nach dem Telefon und sprach leise hinein. »Bitte bring Lisa Lavoie zu mir. Danke.«
    Er legte den Hörer auf und sagte: »Warum stellst du dich nicht ans Feuer? Du scheinst zu frieren.«
    Eine weitere Erinnerung stürzte auf mich ein. Wir saßen zusammen mit den anderen am Lagerfeuer, nachdem wir im Fluss gebadet hatten. Er hatte sein Handtuch um mich gewickelt und mich zu sich auf den Schoß gezogen. Meine Mutter hatte fortgeschaut. Hatte sie Bescheid gewusst? Die Möglichkeit verstörte mich.
    Als ich mich nicht rührte, sagte Aaron: »Du hast mir nie vertraut, obwohl ich es nicht verstehe. Ich habe mich immer um dich gekümmert und dachte, wir hätten eine ganz besondere Beziehung.« Er sah mich an, und ich empfand, wie krank und verkehrt dies alles war, so wie ich es schon als Kind stets gespürt hatte. Was es noch schlimmer machte, war das Wissen, dass er es auf seine verdrehte Art tatsächlich ernst meinte. Er sagte: »Alles, was ich tat, tat ich, um dir und deiner Mutter zu helfen.«
    »Mir helfen? Du bist ein kranker Pädophiler. Und ich werde dafür sorgen, dass die ganze Welt erfährt, was für ein Heuchler du bist. Dieses Zentrum wird bald dichtmachen.«
    Er sagte nichts, sondern legte nur den Kopf schräg und taxierte mich. Schließlich sagte er ruhig: »Meine Mitglieder sind loyal und dankbar für meine Hilfe. Deine Drohungen bedeuten nichts.«
    Die Tür öffnete sich, und Aaron drehte sich um.
    »Lisa, willkommen!«
    Sie war schon hier? Hatten sie nebenan mit ihr gewartet? Ich wirbelte herum. Ein älterer Mann kam mit Lisa herein. Ihr Haar war ordentlich gebürstet und fiel ihr in dichten Wellen über den Rücken. Sie trug schwarze Leggings und einen langen, beigen Pullover.
    Ich ging auf sie zu. »Lisa!«
    Der Mann trat vor und versperrte mir den Weg.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich. Dann sah ich ihm in die Augen und erkannte Joseph. Anders als bei seinem Bruder hatten die Jahre es nicht gut mit ihm gemeint. Er war ausgemergelt und bleich, die rotgeränderten Augen hatten dunkle Ringe, und sein Haar war ungepflegt. Er wirkte ernstlich krank.
    Lisa war bereits an mir vorbeigegangen und hatte sich zu Aaron neben den Schreibtisch gestellt. Aaron legte ihr den Arm um die Schulter, die Hand an ihrem Nacken, so dass sein Daumen auf ihrer Halsschlagader ruhte. Panik erfasste mich.
    Ich ignorierte Joseph fürs Erste und sagte: »Lisa, geht es dir gut?«
    Sie sah mich nicht einmal an. Stattdessen hielt sie den Blick auf Aaron gerichtet und bat ihn stumm um Erlaubnis,

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