Blick in Die Angst
getan, Garret?« Meine Stimme war hart, mein Körper steif.
»Nichts. Ich hab dir doch gesagt, sie brauchte Geld. Sie nimmt immer noch Drogen. Darüber hat sie dich auch belogen. Sie ist krank, Nadine. Sie ist drogenabhängig.«
Er log erneut, gab Lisa für alles die Schuld, und jedes Wort aus seinem Mund ließ mich an Aaron denken, daran, wie er die bösen Dinge rechtfertigte, die er tat. Und Garret würde weiterhin alle belügen, die Polizei, andere kleine Mädchen, ihre Mütter.
Mit Lisas Bild in der Hand wirbelte ich herum und riss Garrets Fotos von den Studiowänden, schleuderte sie zu Boden, so dass die Rahmen zerbrachen und Glasscherben herumflogen.
Garret versuchte, mich am Handgelenk festzuhalten, während er brüllte: »Was zum Teufel tust du?« Ich riss mich los. Er hob mich von hinten hoch, zerrte und stieß mich aus dem Studio, während ich ihn kratzte und nach ihm trat. Ich versetzte ihm einen ordentlichen Schlag gegen den Mund.
Er stieß mich zu Boden, wich taumelnd zurück und hob die Hand an die Lippen. Er sah auf seine blutigen Finger, als wäre er fassungslos, dass ich ihn tatsächlich verletzt hatte. »Ich rufe die Polizei, du durchgeknallte Schlampe.«
Mit zittrigen Knien stand ich auf, bebend vom Adrenalin, und wischte mir den Schmutz und das zerbrochene Glas von den Kleidern. »Das tust du nicht.«
Unsere Blicke trafen sich. Er sah zuerst fort.
Ich ließ ihn vor seinem verwüsteten Studio stehen und ging hocherhobenen Hauptes zu meinem Wagen. In der Hand hielt ich noch immer Lisas Foto.
32. Kapitel
Nach einer weiteren unruhigen Nacht erwachte ich am nächsten Morgen wund und zerschlagen. Jeder Muskel tat mir weh, doch zum Glück hatte ich einen Tag frei und musste nicht zum Krankenhaus. Ich schenkte mir einen Kaffee ein, um ihn auf der hinteren Terrasse zu trinken. Ich sehnte mich nach Licht, nach frischer Luft. Die Sonne beschien die oberste Stufe, so dass ich mich dort niederließ und mein Gesicht der Wärme entgegenstreckte. Ich hörte einen leisen Rums rechts von mir und riss die Augen auf. Während ich mich in die Richtung drehte, aus der das Geräusch gekommen war, wappnete ich mich innerlich gegen einen Angriff. Doch es war nur die Katze, die vom Geländer gesprungen war. Sie beobachtete mich, ihre Augen funkelten im hellen Licht.
Ich rieb die Finger und lockte sie zu mir. »Miez, miez, miez.«
Sie schlich am Rand des Geländers entlang, blieb hin und wieder stehen und rieb ihren Kopf am Holz. Als sie nur noch ein paar Schritte entfernt war, legte sie sich auf ein von der Sonne beschienenes Fleckchen. Ich machte weitere lockende Schnalzgeräusche. Sie drehte sich um und zog sich mit den Krallen näher heran. Ein rumpelndes Schnurren stieg aus ihrer Kehle auf. Freude durchzuckte mich, das süße Vergnügen, dass ein anderes Lebewesen auf mich reagierte. Sie war noch einen Schritt von mir entfernt. Wir blieben zusammen sitzen und tankten Sonne. Ihr schwarzes Fell sah warm aus. Kleine Erdklumpen, vielleicht von einem meiner Beete, hingen an ihren Pfoten. Ich streckte die Hand aus und streichelte ihr über den Rücken. Sie drehte sich wieder um und stieß mit dem Kopf gegen meine Hand. Noch ein Freudenschauer. Ich kraulte sie hinter den Ohren. Sie rieb ihre Wange an meinem Daumen. Ich beugte mich tiefer, legte meine flache Hand auf ihre Brust.
Blitzschnell schossen ihre Krallen vor, und sie umklammerte meine Hand und biss mich in den Arm. Ich schüttelte sie ab und stieß dabei versehentlich gegen ihre Nase. Sie sprang auf das Geländer, machte einen Satz zum Zaun und war verschwunden. Ich legte den Kopf auf die Knie, und die Worte meines Bruders hallten in meinem Kopf wider. Du hast sie unter Druck gesetzt.
Mein ganzes Leben lang hatte ich für oder gegen etwas gekämpft. Früher konnte ich mich, wenn es schwierig wurde, immer mit dem Gedanken trösten, dass ich zumindest anderen Menschen half, dass ich wenigstens etwas Gutes auf dieser Welt vollbrachte – und dass sich jedes Opfer gelohnt hatte. Jetzt schien es, als hätte ich einzig meine Tochter geopfert.
Im Haus klingelte das Telefon. Als ich das Display überprüfte, erkannte ich Kevins Nummer. Ich legte das Telefon wieder hin. Ich war nicht in der Stimmung, mich zu unterhalten. Niedergeschlagen beschloss ich, etwas herumzufahren. Ich hatte kein Ziel vor Augen, sondern ließ einfach meinen Wagen an und fuhr drauflos, bis ich mich auf einer Straße wiederfand, die aus der Stadt herausführte. Als ich dieses Mal durch den
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