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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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hindurchfließen ließ. Sobald ein Mitglied über Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder irgendein anderes gesundheitliches Problem klagte, lud Aaron es zu einer privaten Meditation in seine Hütte ein. Er legte die Hände auf, um die Meridiane ins Gleichgewicht zu bringen, und der Schmerz verschwand. Ein Mann, der unter Arthritis litt, war bald schon wieder gelenkig, und eine Frau mit Empfängnisproblemen wurde prompt schwanger. Coyote und Heidi, den Eltern von Levi, hatte man gesagt, sie würden keine Kinder mehr bekommen können, doch Aaron erklärte, er könne ihnen helfen, und Heidi wurde ebenfalls schwanger.
    Nachdem das geschehen war, erklärte Aaron uns, dass wir nur dann zur Erleuchtung gelangen würden, wenn wir uns mit strenger Disziplin an tägliche Rituale hielten, und dass wir einen Anführer bräuchten, damit es funktionierte. Jeder stimmte für Aaron. Er sagte: »Ich mache es nur, wenn ihr mir versprecht, in mir das Oberhaupt eurer Familie zu sehen, nicht euren Boss.« Er führte denselben Stundenplan ein, nach dem er im Ashram gelebt hatte. Gleich als Erstes morgens meditierten wir, anschließend fütterten wir die Tiere und frühstückten. Alle Mahlzeiten wurden schweigend eingenommen, damit wir unsere Gedanken auskosten konnten. Die Kommune lebte strikt vegetarisch, aber die Tische quollen stets über vor Essen: Vollkornbrot, Honig, brauner Reis, Zuckersirup, Kleie, Obst und Nüsse, Ziegenkäse und frisches Gemüse aus unserem Garten. Nach dem Frühstück meditierten wir erneut, normalerweise auf der Wiese, wo wir offen waren für das Magnetfeld der Erde. Dann erledigten wir unsere tägliche Arbeit.
    Nach dem Mittagessen folgte eine Zeit der Besinnung, in der er uns auf lange Spaziergänge schickte, damit wir uns auf die heilenden Schwingungen der Natur einstimmen konnten, oder wir chanteten in der Lodge oder gingen im Sommer schwimmen. Dann arbeiteten wir wieder ein bisschen, bauten Hütten oder gingen auf die Felder und in den Garten, gefolgt von einem schweigend eingenommenen Abendessen, einer weiteren Runde Meditation und manchmal noch etwas Schwimmen oder Spazierengehen.
    Nicht lange nachdem Aaron die Leitung übernommen hatte, veränderten sich die abendlichen Lagerfeuer. Anstatt jeden Abend nur herumzusitzen und zu singen, saßen wir nun im Satsang . Das Wort stammte aus dem Sanskrit und bedeutete »sich für die Wahrheit versammeln«. Wir sprachen über die Dinge, die wir am Tag bei unseren Übungen erlebt hatten, manche Mitglieder weinten oder lachten dabei oder wurden sogar wütend. Aaron erklärte dann, wie sie ihre Selbsterkenntnis vertiefen und alle destruktiven Gefühle loslassen konnten, um zu erkennen, was ihre Aufgabe im Leben war. Erstaunt hörte ich meine Mutter sagen, dass sie endlich ihre Wut auf ihren Vater losgelassen hatte, der ihre Mutter für eine andere Frau verlassen hatte, als sie ein Teenager war.
    Viel Zeit verbrachten wir damit, mehr über nachhaltiges Wirtschaften zu lernen und Pläne für die Zukunft zu schmieden, damit die Kommune sich irgendwann komplett selbst versorgen konnte. Aaron sagte: »Wir sind nur die Verwalter des Landes, und wir haben die Verantwortung, es zu bewahren.« Er sagte, dass jede Umweltkatastrophe ein Schmerzensschrei der Erde sei – und hasste die großen Holzfällerunternehmen inbrünstig.
    Wir waren alle bereit, Aaron als unseren Anführer zu akzeptieren, doch mit seinem Bruder Joseph war es etwas ganz anderes. Er war still, aber nicht auf friedliche Weise, sondern eher so, als sei er kurz davor, wegen der kleinsten Kleinigkeit zu explodieren. Er sah Aaron sehr ähnlich, doch bei ihm wirkte alles ein klein wenig verzerrt. Die Lippen waren stärker nach unten gezogen, die Haut war blasser und das Gesicht schmal und eckig. Das dünne Haar trug er geflochten und mit einem Lederband zurückgebunden.
    Dennoch standen die beiden Brüder einander nahe, und ich wusste nie, ob Aaron sich überhaupt bewusst war, wie nervös sein Bruder alle anderen machte. Aaron sagte, sein Bruder sei ein Empath, der genau spüre, wenn jemand zauderte. Wir konnten in stiller Meditation dasitzen, bis Joseph unvermittelt aufsprang und jemanden anschrie. Einmal schlug er Heidi auf die Schulter, und wir saßen alle wie betäubt da. Coyote sah aus, als wollte er sich mit ihm prügeln und hatte die Fäuste geballt, doch Aaron flüsterte ihm etwas zu und führte anschließend seinen Bruder in aller Seelenruhe in seine Hütte, um seine Chakren zu reinigen.
    Aaron erklärte

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