Blick in Die Angst
schmelzen!« Die anderen lachten, erleichtert, dass jemand ihnen sagte, was sie mit dieser Situation anfangen sollten, und liefen zum Fluss hinunter. Robbie und Willow schlenderten hinterher und unterhielten sich leise. Ich ging hinter ihnen und versuchte, zu verstehen, was sie sagten, aber ohne Erfolg. Robbie drehte sich zu mir um. Seine Miene verriet nicht das Geringste.
Am Fluss zogen sich alle aus und sprangen ins Wasser. Die meisten Mitglieder badeten wie üblich nackt, aber ein paar Männer trugen kurze Jeans und einige Frauen Bikinis. Coyote, Levis Vater, war zum anderen Flussufer geschwommen und kletterte auf einen Felsvorsprung. Einige Leute forderten ihn mit lauten Rufen auf, zu springen. Coyote, der so wild war wie sein Name, tauchte immer von den höchsten Felsen in den Fluss. Er versuchte ständig, Levi dazu zu bringen, mit ihm zu kommen, aber Levi sprang nur von den niedrigeren Felsen und lächelte, wenn sein Vater ihn einen Angsthasen nannte. Doch ich merkte, dass es ihn verletzte. Robbie sprang ohne weiteres von den höheren Felsen, aber wenn Levi dabei war, blieb er mit ihm weiter unten.
An diesem Tag blieb ich mit den anderen Kindern in der Nähe des Ufers. Ich war nie eine gute Schwimmerin gewesen und watete nur halb hinein, bis meine Knie vom kalten Wasser ganz taub wurden. Robbie sonnte sich an der Böschung am anderen Ufer, seine Shorts waren nass und sein Haar tropfte. Er schüttelte den Kopf wie ein Hund und ließ es auf Willow regnen, die mit meiner Mutter und den anderen Frauen in der Nähe saß. Sie schöpfte etwas Wasser mit der hohlen Hand und bespritzte ihn damit. Die Tropfen funkelten hell in der Sonne.
Coyote war fast oben auf dem Felsvorsprung angekommen, dort, wo ein alter, toter Baum aus dem Gestein vorragte. Er hielt inne und begann, wie ein Wolf zu heulen. Wir lachten alle, doch dann wurden wir still, als er auf den Baumstamm hinauskroch. Levi, der bei der Gruppe Mädchen gesessen hat, kletterte seinem Vater hinterher. Seine langen Beine blitzten weiß auf, als er von Fels zu Fels sprang.
Coyote kroch noch weiter auf dem Baumstamm vor, der gefährlich weit über den Fluss hinausragte. Der Stamm schwankte einen Moment, dann kam er wieder zur Ruhe. Die Gruppe unten am Fluss schnappte nach Luft. Heidi, seine Frau, rief: »Coyote, komm runter!«
Er grinste, vergewisserte sich, dass wir alle noch zusahen, und kroch ein paar Zentimeter weiter.
Robbie war aufgestanden, seine Schultern waren angespannt. Er hob eine Hand über die Augen, um die Sonne abzuschirmen. Als Levi hinter seinem Vater auf den Felsen zu klettern begann, löste sich unter seinem Fuß ein kleiner Stein von einem Vorsprung. Er fiel hüpfend herunter, schlug auf seinem Weg nach unten gegen den Felsen und landete platschend im Wasser. Coyote, abgelenkt von dem Geräusch, schaute hinunter und verlagerte dabei sein Gewicht. Es knackte hörbar, als der Baumstamm aus dem Felsen herauszubrechen begann. Heidi stieß einen Schrei aus, während Levi brüllte: »Dad!«
Coyote stürzte ins Wasser, und der Baum krachte ihm hinterher und direkt auf ihn drauf. Levi kletterte vom Felsen herunter. Andere, allen voran Robbie, schwammen auf die Stelle zu, an der Coyote untergegangen war. Robbie tauchte, kam wieder hoch und machte Zeichen, dass er Hilfe brauchte. Levi tauchte mit ihm. Sie waren so lange unter Wasser, dass ich zu schluchzen begann und würgend nach Luft rang. Schließlich kam Robbie hoch, Coyotes erschlafften Körper im Arm. Kurz darauf tauchte Levi auf. Sie schwammen zum Ufer und zogen Coyote hinter sich her. Als sie ihn die Felsen hinaufgezogen hatten, kauerte Willow sich neben ihn und scheuchte alle anderen zurück. Heidi schrie. Robbie und Willow bearbeiteten Coyote fieberhaft: Sie machte eine Mund-zu-Mund-Beatmung, und er gab ihm eine Herzmassage. Willow hörte auf und sagte etwas zu Robbie.
Ich stand immer noch im Wasser und zitterte am ganzen Leib. Ich sah Coyotes Kopf zur Seite rollen, seine Hand war schlaff, und der Mund war geöffnet. Aus einer klaffenden Wunde auf der Stirn tropfte Blut. Inzwischen kamen Aaron und Joseph, angelockt von den Schreien, Seite an Seite den Hügel heruntergerannt. Als sie das andere Ufer erreicht hatten, versuchte Aaron, Coyotes Puls zu ertasten, und hielt das Ohr dicht an seinen Mund. Dann sah er uns an und sagte: »Er ist tot.«
Aaron und Robbie hoben Coyote hoch, trugen ihn zurück zum Camp und betteten ihn auf einen Tisch. Stumm und traurig versammelten wir uns um ihn.
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