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Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)

Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)

Titel: Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eben Alexander
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bewusst, dass ihr dies nicht möglich war. Richard träumte davon, aufs College zu gehen, aber von Träumen allein konnten mich die beiden nicht ernähren. Vielleicht spürte ich Anns Schmerz, denn ich hörte auf zu saugen. Mit elfTagen wurde ich mit der Diagnose »Gedeihstörung« ins Krankenhaus von Charlotte verlegt und verbrachte mein erstes Weihnachtsfest und die folgenden neun Tage dort.
    Nachdem ich ins Krankenhaus eingeliefert worden war, trat Ann die zweistündige Busfahrt nach Norden an: in ihre kleine Heimatstadt. Sie verbrachte dieses Weihnachtsfest mit ihren Eltern, Schwestern und Freunden, die sie seit drei Monaten nicht gesehen hatte. Alles ohne mich.
    Als ich wieder Nahrung zu mir nahm, war mein eigenständiges Leben bereits in Gang gekommen. Ann merkte, dass ihr die Dinge allmählich entglitten und dass man ihr nicht erlauben würde, mich zu behalten. Als sie gleich nach Neujahr im Krankenhaus anrief, teilte man ihr mit, ich sei zur Children’s Home Society nach Greensboro gebracht worden.
    »Von einer Ehrenamtlichen hingebracht? Wie unfair!«, sagte sie.
    Ich verbrachte die nächsten drei Monate in einem Babyschlafsaal mit mehreren anderen Säuglingen, deren Mütter sie nicht behalten konnten. Meine Wiege stand im zweiten Stock eines blaugrauen viktorianischen Hauses, das jemand der Gesellschaft gespendet hatte. »Dein erstes Zuhause war ein sehr angenehmer Ort«, sagte Ann mit einem Lächeln, »auch wenn es vor allem ein Babyschlafsaal war.« Ann nahm die dreistündige Busfahrt in den folgenden Monaten ein hal bes Dutzend Mal auf sich, um mich zu besuchen, und versuchte verzweifelt, einen Plan zu entwickeln, der es ihr ermöglichen würde, mich zu behalten. Einmal kam sie mit ihrer Mutter, ein anderes Mal mit Richard. (Ihm erlaubten die Schwestern lediglich, durchs Fenster einen Blick auf mich zu werfen. Sie ließen ihn nicht mit mir in einen Raum und erlaubten ihm auch nicht, mich auf den Arm zu nehmen.)
    Ende März 1954 war klar, dass die Dinge nicht so liefen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie würde mich aufgeben müssen. Ein letztes Mal nahmen sie und ihre Mutter den Bus nach Greensboro.
    »Ich musste dich auf dem Arm halten, dir in die Augen schauen und versuchen, dir alles zu erklären«, erzählte Ann. »Ich wusste, du würdest nur glucksen und gurren, ein bisschen spucken und liebenswerte Geräusche machen, egal, was ich auch sagte, aber ich hatte das Gefühl, dir eine Erklärung zu schulden. Ich hielt dich ein letztes Mal ganz fest, küsste deine Ohren, deine Brust und dein Gesicht und liebkoste dich ganz sacht. Ich weiß noch wie gestern, dass ich ganz tief eingeatmet habe, weil ich diesen wunderbaren Geruch nach frisch gebadetem Baby so liebte.
    »Ich sprach dich mit deinem Geburtsnamen an und sagte: ›Ich liebe dich so sehr, dass du es dir gar nicht vorstellen kannst. Und ich werde dich immer lieben, bis ich sterbe.‹
    Ich sagte: ›Lieber Gott, lass ihn wissen, wie sehr er geliebt wird. Dass ich ihn liebe und immer lieben werde.‹ Aber ich konnte ja nicht wissen, ob mein Gebet erhört werden würde. Adoptionsverfahren waren in den 1950er-Jahren endgültig und absolut geheim. Es gab keinen Blick zurück, keine Er klärungen. Manchmal wurden sogar die Geburtsdaten in den offiziellen Urkunden verändert, um jedwede Versuche, die Wahrheit über die Herkunft eines Babys herauszufinden, von vornherein zu vereiteln. Nur keine Spuren hinterlassen. Adoptionsverfahren waren durch strenge Gesetze geschützt. Die Regel lautete, zu vergessen, dass die Adoption jemals stattgefunden hatte, und sich einfach dem Rest seines Lebens zuzuwenden. Und hoffentlich daraus zu lernen.
    Ich küsste dich ein letztes Mal und legte dich sachte zurück in deine Wiege. Ich wickelte dich in deine kleine blaue Decke, schaute ein letztes Mal in deine blauen Augen, hauchte einen Kuss auf meinen Finger und berührte damit deine Stirn.
    ›Auf Wiedersehen, Richard Michael. Ich liebe dich‹, waren meine letzten Worte an dich, zumindest für ein halbes Jahrhundert oder so.«
    Ann erzählte mir auch, dass sie sich, nachdem sie Richard geheiratet und ihre anderen Kinder bekommen hatte, mehr und mehr damit beschäftigte herauszufinden, was wohl aus mir geworden war. Richard war nicht nur Marineflieger und Pilot von Passagierflugzeugen, sondern auch Rechtsanwalt, und Ann hatte herausbekommen, dass ihm dies die Erlaubnis gab, meine adoptierte Identität zu enthüllen. Aber Richard war Ehrenmann genug, um die im Jahr

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