Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)
1954 getroffene Adoptionsvereinbarung nicht zurückzunehmen, und hielt sich aus der Sache heraus. In den frühen 1970er-Jahren, als der Krieg in Vietnam noch in vollem Gange war, ging Ann mein Geburtsdatum nicht aus dem Kopf. Ich würde im Dezember 1972 neunzehn Jahre alt werden. Würde ich nach Vietnam gehen? Und wenn ja, was würde dort aus mir werden?
Ursprünglich hatte ich mich als Flieger bei der Marine verpflichten wollen. Ich war nämlich kurzsichtig, und die Luftwaffe verlangte eine normale Sehschärfe ohne Korrektur. Es ging das Gerücht, dass die Marine selbst diejenigen von uns mit geringerer Sehschärfe nehmen und zu Fliegern ausbilden würde. Doch dann wurde die Rekrutierung von Soldaten für den Vietnamkrieg zurückgefahren, und ich verpflichtete mich überhaupt nicht mehr, sondern ging stattdessen auf die Medizinische Hochschule. Doch von all dem wusste Ann nichts. Im Frühjahr 1973 schauten sie zu, wie die überlebenden Kriegsgefangenen aus dem »Hanoi Hilton« die Flugzeuge verließen, die sie aus Nordvietnam nach Hause gebracht hatten. Es brach ihnen das Herz, dass so viele Piloten, die sie kannten – mehr als die Hälfte von Richards Marineeinheit – nicht aus den Flugzeugen stie gen, und Ann überlegte, dass auch ich unter den Gefallenen sein könnte.
Und nachdem es einmal in ihrem Kopf war, wollte dieses Bild einfach nicht mehr verblassen, und sie war jahrelang überzeugt, dass ich einen schrecklichen Tod in den Reisfel dern von Vietnam gestorben war. Sie wäre bestimmt er staunt gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass ich zu der Zeit nur wenige Kilometer von ihr entfernt war – in Chapel Hill!
Im Sommer 2008 traf ich meinen leiblichen Vater, seinen Bruder Bob und seinen Schwager, der ebenfalls Bob heißt, in Litchfield Beach, South Carolina. Bruder Bob war im Koreakrieg als Marineheld ausgezeichnet worden und hatte später als Testpilot in China Lake gearbeitet (dem Waffen-Testzentrum der Marine in der kalifornischen Wüste). Dort perfektionierte er das Sidewinder-Raketensystem und flog F-104-Starfighter. Derweil stellte Richards Schwager Bob während der Operation Sun Run im Jahr 1957 einen Geschwindigkeitsrekord auf, indem er im Rahmen eines Staffelrekords von F-101-Voodoo-Düsenjägern, die »die Sonne überholten«, die Erde mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 1 600 Kilometern pro Stunde umrundete.
Diese Treffen mit meinen leiblichen Verwandten waren das Ende dessen, was ich inzwischen als meine Jahre des Nichtwissens bezeichne. Jahre, die, wie ich schließlich erfuhr, für meine leiblichen Eltern genauso schmerzlich gewesen waren wie für mich.
Es gab nur eine Wunde, die nicht heilen würde: der Verlust meiner leiblichen Schwester Betsy vor damals zehn Jahren, nämlich im Jahr 1998. (Ja, sie trug denselben Namen wie eine meiner Adoptivschwestern, und beide haben einen Mann namens Rob geheiratet, aber das ist eine andere Ge schichte.) Sie hatte ein großes Herz, wie mir alle versicher ten, und wenn sie nicht in der Beratungsstelle für Ver gewaltigungsopfer anzutreffen war, wo sie die meiste Zeit arbeitete, kümmerte sie sich um eine ganze Menagerie streunender Hunde und Katzen. »Ein richtiger Engel«, sagte Ann über sie. Kathy versprach, mir ein Bild von ihr zu schicken.
Betsy hatte mit Alkohol zu kämpfen gehabt, genau wie ich, und die Nachricht von ihrem Tod, der von diesen Kämpfen mit verursacht worden war, ließ mich wieder einmal erkennen, was für ein Glück ich gehabt hatte, dass es mir gelungen war, mein eigenes Problem zu lösen. Ich sehnte mich danach, Betsy zu treffen, sie zu trösten, ihr zu sagen, dass Wunden heilen können und dass am Ende alles gut wird.
Diese Treffen mit meiner leiblichen Familie gaben mir seltsamerweise zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, dass tatsächlich irgendwie alles in Ordnung war. Familie ist wichtig, und ich hatte meine zurück, den größten Teil davon jedenfalls. Dies war meine erste echte Belehrung darüber, wie tiefgreifend die Kenntnis des eigenen Ursprungs das Leben eines Menschen auf unerwartete Weise heilen kann.
Zu wissen, woher ich kam, meinen biologischen Ursprung zu kennen, erlaubte mir, auf überraschende Weise Dinge an mir selbst zu sehen und zu akzeptieren. Dadurch, dass ich meine leiblichen Eltern und Geschwister kennenlernte, konnte ich endlich den quälenden Verdacht über Bord werfen, den ich die ganze Zeit mit mir herumgetragen hatte, ohne dass es mir wirklich bewusst gewesen wäre: den
Weitere Kostenlose Bücher