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Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)

Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)

Titel: Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eben Alexander
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campieren?«
    Betsy hatte die denkbar schönste und einfachste Antwort und formulierte sie als Frage: »Gibt es irgendeinen anderen Ort auf der Welt, an dem du dir jetzt vorstellen könntest zu sein?«
    Beide waren sich einig, dass ich innerhalb einer Sekunde zur Stelle sein würde, wenn man mich brauchte, dass es aber sehr, sehr schwer vorstellbar war, ich würde stundenlang an ein und demselben Ort einfach nur herumsitzen. »Es hat sich nie wie eine lästige Pflicht angefühlt oder wie etwas, was nun mal getan werden muss. Wir gehörten einfach hierher, an dein Bett«, erzählte mir Phyllis später.
    Sylvia war höchst beunruhigt über meine Hände und Füße, denn die rollten sich allmählich ein wie die Blätter einer Pflanze, die unter Wassermangel leidet. Das ist bei Schlaganfall- und Komapatienten normal, weil sich die dominanten Muskeln in den Extremitäten mit der Zeit zusammenziehen. Aber für Familienangehörige und geliebte Menschen ist das kein leichter Anblick. Wenn sie mich anschaute, gab sich Sylvia selbst den Rat, auf ihr ursprüngliches Bauchgefühl zu hören. Aber sogar ihr fiel das sehr, sehr schwer.
    Holley war dazu übergegangen, sich mehr und mehr selbst die Schuld zu geben (wenn sie nur früher die Treppe hinaufgegangen wäre …, wenn sie nur dies getan und jenes gelassen hätte …), und alle taten, was sie konnten, um sie von diesem Thema abzulenken.
    Mittlerweile wusste jeder, dass, selbst wenn ich mich wieder erholte, Erholung oder Genesung nicht ganz die richtigen Wörter für das waren, worauf es hinauslaufen würde. Ich würde mindestens drei Monate intensiver Rehabilitation brauchen, chronische Sprachprobleme haben (falls ich überhaupt noch genügend Gehirnkapazität hatte, um wie der sprechen zu können) und für den Rest meines Lebens ein Pflegefall sein. Dies war das Best-Case-Szenario, und so grau sam und düster das auch klingen mag, es lag sowieso weitgehend im Reich der Fantasie. Die Chancen, dass ich jemals in derart guter Form sein würde, schrumpften gegen null.
    Bond war davon abgehalten worden, sich sämtliche Einzelheiten meines Zustands anzuhören, doch als er am Freitag nach der Schule im Krankenhaus war, hörte er zufällig mit, wie einer meiner Ärzte Holley über das informierte, was sie ohnehin schon wusste.
    Es war Zeit, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Es gab nur noch wenig Hoffnung.
    Als es an diesem Abend Zeit für ihn war, nach Hause zu gehen, weigerte sich Bond, mein Zimmer zu verlassen. Grundsätzlich wurden nur zwei Personen gleichzeitig in meinem Zimmer zugelassen, damit die Ärzte und Schwestern ihre Arbeit machen konnten. Gegen sechs Uhr deutete Holley sanft an, es sei Zeit, nach Hause und ins Bett zu gehen. Aber Bond blieb einfach auf seinem Stuhl direkt unter seiner Zeichnung vom Krieg zwischen den weißen Blutkörperchen-Soldaten und den eindringenden E.-coli- Truppen sitzen.
    »Er weiß sowieso nicht, dass ich hier bin«, sagte er in einem halb verbitterten, halb flehenden Ton. »Warum kann ich nicht einfach bleiben?«
    Also betrat für den Rest des Abends immer nur eine Per son das Zimmer, wenn eine andere ging, damit Bond bleiben konnte, wo er war.
    Am nächsten Morgen – Samstag – nahm Bond die umgekehrte Haltung ein. Als Holley den Kopf in sein Zimmer steckte, um ihn zu wecken, erwiderte er erstmals in dieser Woche, er wolle nicht ins Krankenhaus gehen.
    »Warum nicht?«, fragte Holley.
    »Weil ich Angst habe«, sagte Bond.
    Mit diesem Geständnis sprach er für alle.
    Holley ging für ein paar Minuten wieder nach unten in die Küche. Dann versuchte sie es noch einmal und fragte, ob er sicher sei, dass er seinen Papa nicht sehen wolle. Es folgte eine lange Pause, in der er sie nur anstarrte.
    »Okay«, sagte er schließlich.
    Der Samstag war ausgefüllt mit abwechselnden Wachen an meinem Bett und hoffnungsvollen Gesprächen zwischen der Familie und den Ärzten. Alles machte den Eindruck eines halbherzigen Versuchs, die Hoffnung am Leben zu halten. Die Reserven aller waren deutlich leerer als am Tag zuvor.
    Am Samstagabend brachte Phyllis unsere Mutter Betty in deren Hotel zurück und fuhr dann weiter zu unserem Haus. Es war stockdunkel, kein einziges Fenster war beleuchtet, und während sie über den nassen Matsch schlidderte, konnte sie sich kaum auf den Gehwegplatten halten. Mittlerweile regnete es schon seit ganzen fünf Tagen, seit dem Nachmittag, an dem man mich in die Notaufnahme gebracht hatte. Diese Art von Dauerregen ist sehr

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