Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)
ihre Routinetätigkeiten, ging von einer der Maschinen, die mein Bett umgaben, zur ande ren und notierte, was sie anzeigten. Eine andere Schwester kam herein, und Michael fragte, ob sie seine Assistentin angerufen habe.
»Nein«, antwortete sie. »Ich war den ganzen Morgen hier, und sein Zustand hat sich seit gestern Nacht nicht groß verändert. Ich weiß nicht, wer Sie angerufen hat.«
Gegen elf hatten sich Holley, Mama, Phyllis und Betsy in meinem Zimmer versammelt. Michael schlug vor zu beten. Alle, einschließlich der beiden Schwestern, stellten sich Hand in Hand um mein Bett, und Michael sprach ein weiteres von Herzen kommendes Bittgebet für meine Genesung.
»Herr, bring Eben zu uns zurück. Ich weiß, es steht in deiner Macht.«
Noch immer wusste niemand, wer Michael angerufen hatte. Doch wer es auch gewesen war, es war gut, dass er oder sie es getan hatte. Denn die Gebete, die aus der unteren Welt kamen – der Welt, von der ich gekommen war –, begannen endlich, zu mir durchzudringen.
18
Vergessen und Erinnern
Mein Bewusstsein war jetzt weiter. So weit, dass es das gesamte Universum zu erfassen schien. Haben Sie schon einmal ein von Rauschen und anderen Störgeräuschen begleitetes Lied im Radio gehört? Man gewöhnt sich daran. Dann stellt jemand den Regler neu ein, und Sie hören das selbe Lied klar und deutlich. Wieso ist Ihnen nicht aufgefallen, wie dumpf, wie weit weg und wie völlig falsch es vorher geklungen hat?
Natürlich, so funktioniert der Verstand. Menschen sind darauf angelegt, sich anzupassen. Ich habe meinen Patienten oft erklärt, dass sich diese oder jene Beschwerden verringern oder zumindest in ihrer Wahrnehmung verringern würden, sobald sich ihr Körper und ihr Gehirn an die neue Situation angepasst hätten. Wenn irgendetwas lange genug abläuft, lernt das Gehirn, es zu ignorieren oder zu umgehen oder es einfach als normal zu behandeln.
Aber unser eingeschränktes irdisches Bewusstsein ist weit davon entfernt, einfach normal zu sein. Das wurde mir zum ersten Mal demonstriert, als ich immer tiefer reiste, geradewegs in die Mitte des Zentrums. Ich hatte immer noch keine Erinnerung an meine irdische Vergangenheit, und doch war meine Erinnerung nicht ausgelöscht. Obwohl ich mein Leben hier unten vergessen hatte, erinnerte ich mich, wer ich da draußen wirklich und wahrhaftig war. Ich war ein Bewohner eines in seiner Weite und Komplexität atemberaubenden Universums, das ganz und gar von Liebe regiert wurde.
Auf beinahe unheimliche Weise waren die Entdeckungen, die ich jetzt außerhalb meines Körpers machte, eine Art Echo jener Lektionen, die ich nur ein Jahr zuvor durch die Wiedervereinigung mit meiner leiblichen Familie gelernt hatte. Letztlich ist niemand von uns ein Waisenkind. Wir sind alle in der Position, in der ich war, da wir alle noch eine andere Familie haben: Wesen, die uns beobachten und über uns wachen; Wesen, die wir zeitweise vergessen haben, die aber, wenn wir für ihre Anwesenheit offen sind, nur darauf warten, uns während unserer Zeit hier auf der Erde zur Seite zu stehen. Keiner von uns ist je ungeliebt. Der Schöpfer, der uns mehr liebt, als wir überhaupt begreifen können, kennt jeden Einzelnen von uns ganz genau und kümmert sich um uns. Dieses Wissen darf nicht länger ein Geheimnis bleiben.
19
Kein Verstecken mehr möglich
Freitag hatte mein Körper seit vier Tagen intravenös Antibiotika bekommen, aber er reagierte nach wie vor nicht darauf. Von überall her waren Familienmitglieder und Freunde gekommen, und diejenigen, die nicht gekommen waren, hatten in ihren Kirchen Gebetsgruppen für mich initiiert. Meine Schwägerin Peggy und Holleys gute Freundin Sylvia kamen am Nachmittag. Holley begrüßte sie mit dem fröh lichsten Gesicht, das ihr möglich war. Betsy und Phyllis vertraten auch weiterhin die Er-wird-bald-wieder-gesund-H altung, indem sie um jeden Preis positiv blieben. Doch es wurde von Tag zu Tag schwerer, daran zu glauben. Sogar Betsy begann sich zu fragen, ob ihre Anordnung »Nichts Negatives in diesem Zimmer« in Wirklichkeit nicht so etwas wie »Keine Realität in diesem Zimmer« bedeutete.
»Glaubst du, Eben würde das auch für uns tun, wenn die Rollen umgekehrt verteilt wären?«, fragte Phyllis Betsy an jenem Morgen nach einer weiteren mehr oder weniger schlaflos verbrachten Nacht.
»Was willst du damit sagen?«, fragte Betsy.
»Also, denkst du, er würde jede Minute mit uns verbringen und auf der Intensivstation
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