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Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)

Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)

Titel: Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eben Alexander
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oder gar Jahre in einem einst vitalen, jetzt aber nicht mehr reagierenden Körper ohne jede Lebens qualität lebte.
    »Nehmen Sie Platz«, sagte Dr. Wade zu Sylvia und Holley. Seine Stimme klang freundlich, aber auch unmissverständlich hart. »Dr. Brennan und ich haben jeweils Telefonkonferenzen mit Experten am Duke, an der Universität von Virginia und an der Medizinischen Hochschule von Bowman Gray geführt. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass alle übereinstimmend den Verlauf der Dinge als nicht positiv einschätzen. Wenn sich Ebens Zustand innerhalb der nächsten zwölf Stunden nicht deutlich verbessert, wer den wir vermutlich vorschlagen, über ein Absetzen der An tibiotika nachzudenken. Nach einer Woche im Koma bei schwerer bakterieller Meningitis sind die Grenzen einer vernünftigen Erwartung auf Genesung bereits überschritten. Angesichts dieser Aussichten ist es vielleicht besser, der Natur ihren Lauf zu lassen.«
    »Aber gestern habe ich gesehen, dass er die Augenlider bewegt hat«, protestierte Holley. »Wirklich, sie haben sich bewegt. Fast als versuche er, die Augen zu öffnen. Ich bin sicher, dass ich das gesehen habe.«
    »Das bezweifle ich nicht«, entgegnete Dr. Wade. »Die Anzahl seiner weißen Blutkörperchen ist auch zurückgegangen. Das sind alles gute Nachrichten, und ich will keineswegs das Gegenteil andeuten. Aber Sie müssen die Situation im Zusammenhang sehen. Wir haben Ebens Sedierung deutlich verringert, und jetzt sollte sich bei seinen neurologischen Untersuchungen mehr Neuroaktivität zeigen, als es der Fall ist. Die Grundfunktionen seines Gehirns sind teilweise noch erhalten, nicht aber seine erforderlichen höheren Gehirnfunktionen. Mit der Zeit ist bei den meisten Komapatienten eine gewisse Verbesserung der scheinbaren Wach heit zu beobachten. Ihre Körper tun Dinge, die den Anschein erwecken, als kämen sie zurück. Aber das tun sie nicht. Es ist einfach nur das Stammhirn, das einen Zustand namens coma vigile einnimmt, eine Art Warteschleife, in der es Monate oder sogar Jahre verharren kann. Das erklärt höchstwahrscheinlich auch die flatternden Augenlider. Ich kann nur wiederholen, dass sieben Tage für ein Koma mit bakterieller Meningitis eine enorm lange Zeitspanne sind.«
    Dr. Wade gebrauchte eine Menge Worte, um den Schock einer Botschaft abzumildern, die man in einen Satz hätte fassen können: Es war an der Zeit, meinen Körper sterben zu lassen.

22
    Sechs Gesichter
    Während ich abstieg, blubberten weitere Gesichter aus dem Schlamm hervor, wie immer, wenn ich mich ins Reich der Regenwurmperspektive begab. Aber diesmal war etwas anders an diesen Gesichtern. Es waren menschliche Gesichter, nicht die von Tieren. Und es war klar, dass sie etwas sagten.
    Nicht, dass ich feststellen konnte, was sie sagten. Es war ein wenig wie in den alten Charlie-Brown-Cartoons, in denen man, wenn die Erwachsenen etwas sagen, nur nicht entzifferbare Laute in den Sprechblasen sieht. Später, als ich auf dieses Ereignis zurückschaute, wurde mir klar, dass ich sechs der Gesichter, die ich gesehen hatte, identifizieren konnte: Sylvia, Holley und ihre Schwester Peggy, außerdem Scott Wade und Susan Reintjes. Die Einzige, die in diesen letzten Stunden nicht physisch an meinem Bett stand, war Susan. Aber auf ihre Weise stand sie natürlich auch an meinem Bett, denn in jener Nacht setzte sie sich genau wie in der Nacht zuvor in ihrer Wohnung in Chapel Hill hin und begab sich mental in meine Gegenwart.
    Als mir all das später klar wurde, fragte ich mich, warum meine Mutter Betty und meine Schwestern, die alle die ganze Woche da gewesen und stundenlang liebevoll meine Hand gehalten hatten, in der Reihe von Gesichtern, die ich gesehen hatte, fehlten. Mutter, die an einem Ermüdungsbruch am Fuß litt, brauchte eine Gehhilfe, um sich fortzubewegen, aber sie hatte stets getreulich ihre Schicht bei der Wache an meinem Bett übernommen. Phyllis, Betsy und Jean waren ebenfalls da gewesen. Dann erfuhr ich, dass sie in dieser letzten Nacht nicht bei mir saßen. Die Gesichter, an die ich mich erinnerte, gehörten zu den Menschen, die am siebten Morgen meines Komas bezie hungsweise am Abend davor körperlich anwesend gewesen waren.
    Wieder hatte ich zu der Zeit, als ich abstieg, weder Namen noch Identitäten präsent, die ich diesen Gesichtern hätte zuordnen können. Ich wusste oder spürte nur, dass sie in irgendeiner Weise wichtig für mich waren.
    Noch etwas Spezielles zog mich mit besonderer Macht zu sich.

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