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Blicke windwärts

Blicke windwärts

Titel: Blicke windwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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eine andere Welt verlegten und die Felssäulen nur mit einer Notbesetzung an Personal zurückließen.
    Jetzt war das sein Zuhause.
    Quilan lehnte an einer Brüstung und blickte hinunter zu der weiß schäumenden Gischt, die das Fundament des Männlichen Mittelfingers umspülte, dreihundert Meter unter ihm. Von hier oben sah das Wasser träge aus, dachte er. Als ob jede Welle nach der langen Reise über den Ozean, von dem Ort, wo immer Wellen geboren wurden, müde sei.
    Er war jetzt schon seit einem Zweimonde-Monat hier. Man bildete ihn aus und schätzte seinen Wert ab. Er wusste immer noch nicht mehr über die ihm zugedachte Aufgabe, außer dass es sich angeblich um eine Selbstmordmission handelte. Es war immer noch nicht sicher, dass er sie übernehmen würde. Er wusste, dass er einer von mehreren Kandidaten für diese zweifelhafte Ehre war. Er hatte bereits eingewilligt, falls er nicht auserwählt würde, sich einer Gedächtnislöschung zu unterziehen; danach würde er mit größter Wahrscheinlichkeit als einer von vielen kriegstraumatisierten Mönchen in der Cadracet-Anstalt darum kämpfen, sich mit seinen Erfahrungen zurechtzufinden.
    Generalin Ghejaline war während der Hälfte der Zeit anwesend und überwachte seine Ausbildung. Sein Hauptlehrer in Sachen Kriegsführung und Soldatenhandwerk war ein narbenübersäter, stämmiger, wortkarger Mann namens Wholom. Allem Anschein nach gehörte er ehemals oder immer noch der Armee an, doch er trug keinerlei Rangabzeichen. Quilans anderer Lehrer hieß Chuelfier; ein gebrechlicher, weißpelziger, betagter Mann, dessen Alter und körperliche Hinfälligkeit von ihm abzufallen schienen, wenn er unterrichtete.
    Es gab ein paar Armeespezialisten, die er alle paar Tage mal sah und die offenbar ebenfalls in dem Gebäudekomplex wohnten, einige Diener aus unterschiedlichen Kasten sowie eine Anzahl von Geblendeten Unsichtbaren, die durch den Kastenkrieg hindurch ihre Treue zum alten System beibehalten hatten.
    Quilan beobachtete, wie die Geblendeten ihren unterschiedlichen Verrichtungen nachgingen; ihre oberen Gesichtshälften waren bedeckt vom grünen Band ihres Standes. Sie tasteten sich mit müheloser Vertrautheit voran oder verursachten mit den Klauen laute Klackgeräusche, um sich mittels des Gehörs zwischen den Betonwänden und Felskerben hindurchzunavigieren. Er hatte sich überlegt, dass man als Blinder an diesem Ort mit den steil abfallenden Felsen und dem tosenden Ozean ausschließlich auf sichernde Mauern und eine logische Architektur angewiesen war.
    Es war ihm nicht gestattet, seine Säule zu verlassen. Er hatte den starken Verdacht, dass einige seiner nicht zu sehenden Kameraden beziehungsweise Rivalen – jene anderen, die man ihm bei der Auswahl für die Mission wahrscheinlich vorziehen würde – sich auf einigen der anderen Säulen befanden, jenseits der langen, versperrten Brücken, mit denen die Vereinigten Dienste die Felssäulen verbunden hatten.
    Er hielt den Arm hoch und betrachtete seine nackten Klauen. Er drehte den Arm nach links und nach rechts. Noch nie hatte er so kräftigte Muskeln gehabt, noch nie war er so durchtrainiert gewesen. Er fragte sich, ob die Mission wirklich einen solchen physischen Höchststand erforderte, oder ob die Armee – oder wer immer hinter dem Ganzen steckte – einen einfach nur auf diese Weise aufbaute, weil es sich gerade so ergab.
    Ein großer runder Paradeplatz lag hoch oben auf der seewärtigen Seite der Säule. Zu den Seiten hin war er offen, sein Dach bildeten jedoch weiße Planen, die sich wie altmodische Schiffssegel blähten. Man hatte ihm das Fechten beigebracht und ihn im Umgang mit einer Armbrust sowie auch mit Projektilgeschossen und zuvor Lasergewehren unterrichtet. Man unterwies ihn in den edleren und weniger edleren Kampfarten mit Klingen sowie mit Zähnen und Klauen. Man hatte ihn ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es bei einem Kampf von Mann zu Mann einen entscheidenden Unterschied machte, ob man es mit der eigenen Spezies oder einer anderen zu tun hatte, aber damit hatte man es bewenden lassen und war nicht auf Einzelheiten eingegangen.
    Eines Tages kam mit einer Flugmaschine eine kleine Gruppe von Ärzten, und diese brachten ihn in ein großes, aber allem Anschein nach wenig benutztes Krankenhaus, das aus dem Felsen tief unter den Gebäuden der Säule herausgehauen worden war. Man rüstete ihn mit einem verbesserten Seelenhort aus, doch das war das einzige Implantat, das sie entfernten oder

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