Blicke windwärts
wird dahingehend argumentieren, dass man nicht Ihrer Laune, oder dem, was er möglicherweise als kindische Erpressung bezeichnen wird, nachgeben soll.«
»Ja, auf diesem niedrigen Niveau wird es irgendwie ablaufen.«
»Wie geht es mit Erlöschendes Licht voran?«, fragte der Avatar. »Sind die elementaren Teile fertig? Es sind nur noch fünf Tage bis zur Premiere, und das ist das Minimum an Zeit, an das die Leute gewöhnt sind.«
»Ja, sie sind fertig. Ich möchte lediglich einige von ihnen noch eine Nacht überschlafen, aber morgen werden ich sie freigeben.« Der Chelgrianer sah den Avatar an. »Bist du ganz sicher, dass das die richtige Vorgehensweise ist?«
»Was, Elementarteile zu benutzen?«
»Ja. Wird die erste Aufführung nicht an Frische verlieren? Ob ich nun selbst dirigiere oder nicht.«
»Keineswegs. Die Leute kennen dann schon in etwa die Melodien, die musikalischen Grundthemen, mehr aber auch nicht. Einiges wird ihnen im Unterbewusstsein vertraut vorkommen, und dadurch werden sie das Gesamtwerk umso höher schätzen.« Der Avatar schlug dem Chelgrianer auf die Schulter, was einen feinen Sprühregen aus dessen Weste zur Folge hatte. Ziller zuckte zusammen; die schmächtig aussehende Gestalt war kräftiger, als man vermutete. »Ziller, vertrauen Sie uns; es wird alles bestens laufen. Oh, und nachdem ich mir die Rohfassung angehört habe, die Sie uns geschickt haben, kann ich nur sagen, es ist ein großartiges Werk. Meine Gratulation.«
»Danke.« Ziller fuhr fort, seine Seiten mit dem Handtuch zu trocknen, dann sah er den Avatar an.
»Ja?«, sagte dieser.
»Ich habe mir gerade etwas überlegt.«
»Was denn?«
»Etwas, über das ich mir schon so lange ich hier bin Gedanken mache, etwas, wonach ich noch nie gefragt habe, anfangs deshalb, weil ich Angst hatte, wie die Antwort ausfallen würde, später weil ich glaubte, die Antwort bereits zu kennen.«
»Du liebe Güte! Was könnte das sein?«
»Wenn du dich bemühen würdest, wenn sich irgendein Gehirn bemühen würde, könntet ihr meinen Stil bis zur Vollkommenheit nachahmen?«, fragte der Chelgrianer. »Könntet ihr ein Stück schreiben – sagen wir mal, eine Symphonie –, das sich auch für den strengsten Kritiker so anhören würde, als wäre es von mir, und das sogar mich selbst, wenn ich es hören würde, mit Stolz erfüllen würde, weil ich es vermeintlich geschrieben habe?«
Der Avatar runzelte beim Weitergehen die Stirn. Er schlug die Hände hinter dem Rücken zusammen. Er ging noch ein paar Schritte weiter. »Ja, ich könnte mir vorstellen, dass das möglich ist.«
»Wäre es leicht?«
»Nein. Nicht leichter als irgendeine schwierige Aufgabe.«
»Aber ihr könntet es viel schneller schaffen als ich?«
»Davon muss ich ausgehen.«
»Hmm.« Ziller verstummte. Der Avatar sah ihm ins Gesicht. Hinter Ziller zogen die Felsen und Schleierbäume der immer tiefer werdenden Schlucht vorbei. Der Kahn schaukelte sanft unter ihren Füßen. »Was ist dann der Sinn«, fragte der Chelgrianer, »dass ich oder irgendjemand sonst eine Symphonie oder etwas anderes schreibt?«
Der Avatar zog erstaunt die Brauen hoch. »Na ja, zum einen bekommen Sie, wenn Sie es machen, das Gefühl, etwas geleistet zu haben.«
»Vergessen wir die persönlichen Gefühle. Welchen Sinn hätte es für die Zuhörer?«
»Sie würden wissen, dass es die Schöpfung eines der Ihren ist, nicht die eines Gehirns.«
»Vergessen wir auch das; angenommen, sie erfahren gar nicht, dass es von einer AI stammt, oder es interessiert sie nicht.«
»Wenn sie es nicht erfahren, dann ist der Vergleich nicht vollständig, eine Information wird zurückgehalten. Wenn es sie nicht interessiert, dann sind sie ganz anders als jede Gruppe von Menschen, die ich jemals kennen gelernt habe.«
»Aber wenn es möglich ist…«
»Ziller, machen Sie sich Sorgen, dass Gehirne – AI, wenn Sie so wollen – Originalkunstwerke schaffen könnten oder es auch nur den Anschein haben könnte, sie hätten welche geschaffen?«
»Ehrlich gesagt, wenn es um die Art von Kunstwerken geht, die ich hervorbringe, dann – ja.«
»Ziller, das ist doch unwichtig. Sie müssen denken wie ein Bergsteiger.«
»Ach, muss ich das?«
»Ja. Manche Leute nehmen tagelang Schweiß, Schmerz und Kälte auf sich und riskieren Verletzungen und – in einigen Fällen – sogar den andauernden Tod, um einen Berg zu erklimmen, nur um festzustellen, dass eine Gruppe ihresgleichen frisch per Flugzeug angekommen ist und ein
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