Blicke windwärts
Chelgrianer fort, »das bedeutet, dass ich in einem Anfall von Dankbarkeit zurückgehe und die Symphonie dirigiere.«
»Als ob ich so viel Dankbarkeit erwarten würde, Komponist«, sagte die Drohne in einem Ton, der Resignation bekundete.
Ziller sah sich überrascht um. Er verscheuchte mit einem Schwenken der Hand das Feld der Maschine, das die Schläge ausführte. Er schnaubte durch die Nase und strich sich das Gesichtsfell nach unten glatt. »Sie sind echt knatschig, stimmt’s?«, fragte er.
Die Drohne lief wieder grau an. »Natürlich bin ich aufgebracht, Kst. Ziller! Sie hätten sich jetzt gerade beinahe umgebracht! Bisher haben Sie so gefährliche Arten des Zeitvertreibs doch immer abgelehnt, ja sogar verachtet. Was ist nur los mit Ihnen?«
Ziller senkte den Blick zum Sand hinunter. Seine Weste war zerrissen, wie er jetzt feststellte. Verdammt, er hatte seine Pfeife zu Hause gelassen. Er sah sich um. Der Fluss strömte an ihnen vorbei; riesige Insekten und Vögel huschten über ihm dahin, schwirrend, tauchend und summend. Am gegenüberliegenden Ufer brachte etwas von beträchtlicher Größe die Bäume zum Schwanken. Ein langgliedriges, großohriges, pelziges Ding beobachtete sie neugierig von einem Ast hoch oben im Blattwerk. Ziller schüttelte den Kopf. »Was mach ich eigentlich hier?«, keuchte er. Er stand wackelig auf. Die Drohne streckte dicke Manipelfelder aus, für den Fall, dass er sich darauf stützen wollte, beharrte jedoch nicht darauf, ihm aufhelfen zu wollen.
»Und jetzt, Komponist?«
»Oh, ich gehe heim.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich.« Ziller wrang etwas Wasser aus seinem Fell. Er griff sich ans Ohr, wo der Terminal-Ohrring hätte sein müssen. Er ließ den Blick über den Fluss schweifen, seufzte und sah Tersono an. »Wo ist der nächste Untergrund-Zugang?«
»Ach, ich habe ein Flugzeug ganz in der Nähe in Bereitschaft, für den Fall, dass Sie keine Lust haben, die Mühe auf sich zu nehmen…«
»Ein Flugzeug? Wird es damit nicht ewig lang dauern?«
»Nun ja, eigentlich ist es mehr ein kleines Raumschiff.«
Ziller holte tief Luft und rappelte sich mit gefurchter Stirn auf. Die Drohne schwebte ein wenig zurück. Dann entspannte sich der Chelgrianer wieder. »Also gut«, hauchte er.
Nach wenigen Augenblicken schwebte ein Gebilde, das kaum mehr war als ein eiförmiger Schimmer in der Luft, zwischen den Bäumen am Flussufer hernieder, huschte zur Sandbank und hielt einen Meter entfernt abrupt inne. Sein Tarnfeld erlosch blinkend. Der glatte Rumpf war tiefschwarz; eine Tür an der Seite öffnete sich ächzend.
Ziller maß die Drohne mit zusammengekniffenen Augen. »Keine Tricks«, brummte er.
»Als ob ich…«
Er stieg an Bord.
Der Schnee stob wirbelnd gegen die Fenster; manchmal bildete er scheinbar Muster und Formen. Er gab sich der Aussicht auf die Berge auf der anderen Seite der Stadt hin, doch immer wieder zwang der Schnee ihn, dass er sich ganz auf diesen konzentrierte, da er nur einen halben Meter vor seinen Augen herumtobte; mit seiner Unmittelbarkeit lenkte er ihn von der weiteren Perspektive ab.
~Dann gehst du also?~
~Ich weiß noch nicht. Höflichkeitshalber sollte ich nicht gehen, damit Ziller geht.~
~Stimmt.~
~Aber welchen Sinn hat Höflichkeit, wenn einige dieser Leute am Ende des Abends tot sein werden, und wenn ich selbst ganz bestimmt tot sein werde?~
~Es ist das Verhalten angesichts des Todes, das verrät, wie jemand wirklich ist, Quil. Es stellt sich dann heraus, ob derjenige wirklich so höflich oder gar so tapfer ist wie… ~
~Ich komme gut ohne deine Belehrungen aus, Huyler.~
~Entschuldigung.~
~Ich könnte hier in der Wohnung bleiben und das Konzert in der Übertragung verfolgen, oder einfach etwas anderes tun, oder ich kann zum Konzert gehen und mir Zillers Symphonie mit einer Million anderen Leuten zu Gemüte führen. Ich kann allein sterben oder inmitten von anderen.~
~Du wirst nicht allein sterben, Quil.~
~Das vielleicht nicht, aber im Gegensatz zu mir wirst du wiederkommen, Huyler.~
~Nein, nur das Ich, das vor alledem war, wird wiederkommen.~
~Und wenn schon. Ich hoffe, du denkst nicht, ich verzehre mich vor Selbstmitleid, wenn ich der Ansicht bin, dass die Erfahrung für mich tiefer gehend sein wird als für dich.~
~Natürlich nicht.~
~Zumindest könnte mich Zillers Musik für ein paar Stunden auf andere Gedanken bringen. Auf dem Höhepunkt eines einzigartigen Konzerts zu sterben, in dem Bewusstsein, dass man den spektakulärsten
Weitere Kostenlose Bücher