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Blicke windwärts

Blicke windwärts

Titel: Blicke windwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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der Orbital-Oberfläche; er blickte auf, als Quilan sich näherte, und klopfte auf den Ringelsitz neben sich. Das Geschöpf war mit einem dunkelgrauen Anzug bekleidet.
    »Quilan«, sagte es. »Danke, dass Sie gekommen sind. Bitte, nehmen Sie Platz.« Die Spiegelungen glitten an seiner makellosen silbernen Haut ab wie flüssiges Licht.
    Er setzte sich. Das Ringelpolster passte sich ihm bestens an.
    »Was mache ich hier?«, fragte er. Seine Stimme hatte einen eigenartigen Klang. Es gab kein Echo, wie ihm auffiel.
    »Ich dachte, wir sollten mal miteinander reden«, sagte der Avatar.
    »Worüber?«
    »Was wir als Nächstes machen.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Der Avatar hielt einen kleinen Gegenstand hoch, der wie ein Juwel aussah; er hatte ihn zwischen den silbernen Fingern eingeklemmt wie in einer Pinzette. Das Stück glitzerte wie ein Diamant. In seinem Kern war nicht der geringste dunkle Fleck. »Sehen Sie mal, was ich gefunden habe, Major.«
    Er wusste nicht, was er sagen sollte. Nach einer scheinbar langen Weile dachte er:
    ~Huyler?~
    Die Weile dehnte sich aus. Die Zeit schien stillzustehen. Der Avatar konnte auf eine nicht menschliche Weise vollkommen reglos dasitzen.
    »Es waren drei«, sagte er zu ihm.
    Der Avatar lächelte dünn, griff in die oberste Tasche seines Anzugs und brachte zwei weitere Juwelen zum Vorschein. »Ja, ich weiß. Danke für den Hinweis.«
    »Ich hatte einen Partner.«
    »Der Kerl in Ihrem Kopf. Das haben wir auch gedacht.«
    »Dann habe ich also versagt, ja?«
    »Ja, aber es gibt einen Trostpreis.«
    »Und der wäre?«
    »Sag ich Ihnen später.«
    »Wie geht es jetzt weiter?«
    »Wir hören uns das Ende der Symphonie an.« Er streckte eine schlanke silberne Hand aus. »Nehmen Sie meine Hand.«
    Er nahm die dargebotene Hand. Er befand sich wieder im Stullien-Stadion, diesmal jedoch überall. Er blickte geradeaus und nach unten, er schaute aus tausend anderen Blickwinkeln, er selbst war das Stadion, seine Lichter und Geräusche und das gesamte Bauwerk an sich. Gleichzeitig sah er im Umkreis des Stadions überall hin, in den Himmel, bis zum Horizont, in alle Richtungen rings herum. Er durchlebte einen Augenblick lang ein schreckliches Schwindelgefühl; ein Schwindelgefühl, das ihn nicht zu Boden zu ziehen schien, sondern in alle Richtungen gleichzeitig. Er würde auseinander fliegen, er würde sich einfach auflösen.
    ~Halten Sie sich fest~, sagte die hohle Stimme des Avatars.
    ~Ich versuche es.~
    Die Musik und die vielen Bilder überfluteten ihn, überwältigten ihn, Licht durchströmte ihn. Die Symphonie nahm ihren Lauf und erreichte eine Sequenz von Dissonanzen und Kadenzen, die eine kleine, aber dennoch titanische Reflexion des gesamten Werks waren, der Gipfel des bisherigen Konzerts, der Krieg an sich.
    ~Diese Dinge, die ich disloziert habe, das sind…~
    ~Ich weiß, was sie sind. Man hat sich ihrer angenommen.~
    ~Tut mir Leid.~
    ~Das weiß ich.~
    Die Musik schwoll an wie der steigende Wasserdruck bei einer Untermeeres-Explosion, einen Augenblick bevor die glatte Wasserbeule aufbricht und ein Strahl weißer Gischt herausschießt.
    Die Tänzer reckten sich in die Höhe und fielen in sich zusammen, wirbelten umher und scharten sich zu dichten Häuflein und dehnten sich und schrumpften. Kriegsbilder zuckten wie Röhrenblitze über der Bühne. Der Himmel füllte sich mit Licht, in dem taumelnde Schatten kurz aufflackerten, bevor sie beinahe im gleichen Augenblick von der nächsten Detonation in dem riesigen Feuerbombardement weggewischt wurden.
    Dann brach alles in sich zusammen, und Quilan spürte, wie sich die Zeit verlangsamte. Die Musik verebbte zu einer einzigen hängenden Klanglinie, getragen von durchdringendem Schmerz, die Tänzer lagen wie herabgefallene Blätter verstreut auf der Bühne; das Holo über der Bühne verschwand, und das Licht schien vom Himmel zu verdampfen; was blieb, war eine Dunkelheit, die an den Sinnen zerrte, als ob das Vakuum seine Seele riefe.
    Die Zeit verlangsamte sich noch mehr. Am Himmel in der Nähe des winzigen verbliebenen Lichts, das die Nova Portisia war, war eine kaum wahrnehmbare Andeutung eines Flackerns. Dann hörte auch das auf, jäh erstarrt.
    Der Augenblick, der jetzt war, der sein ganzes Leben lang ein Punkt gewesen war, wurde zu dieser Klanglinie, dieser langen Musiknote und diesem sich ziehenden Heulen in Schwarz. Von der Linie ging eine Ebene aus, die sich faltete und wieder faltete, bis wieder Platz für die Aussichtsgalerie war, und da

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