Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)
chinesische Studenten seit ein paar Jahren die größte ausländische Gruppe an deutschen Universitäten, und erfahrungsgemäß lassen sich nach Beendigung des Studiums etliche davon in ihrem Gastland nieder.
Aber nicht nur in Deutschland steigt die Zahl der Chinesen durch Einwanderung rasant an. Im Vereinigten Königreich wächst sie jährlich um über zehn Prozent, in Kanada waren es zwischen 2001 bis 2006 insgesamt achtzehn Prozent. Weil die Chinesen also weltweit expandieren, werden momentan überall neue Chinatowns geplant, unter anderem in Sankt Petersburg, im schottischen Aberdeen oder in den Suburbs von Bangladeshs Hauptstadt Dhaka. Auch in Deutschland schreitet die Sinisierung der Städte mit großen Schritten voran. Im brandenburgischen Oranienburg will beispielsweise ein chinesischer Investor eine komplette Siedlung für zweitausend Chinesen errichten, mit buddhistischem Tempel und einer Kopie der Großen Mauer.
Weil aber die Chinesen traditionell sehr rührig sind, gewinnen sie in ihren neuen Heimatländern auch immer mehr an wirtschaftlichem und politischem Einfluss. Ein schönes Beispiel dafür ist Thailand, wo die ethnischen Chinesen zwar lediglich gut zehn Prozent der Bevölkerung stellen, gleichzeitig aber einen Großteil der siebenundzwanzig bisherigen Premierminister. So kann der ehemalige umstrittene Premierminister Thaksin Shinawatra ebenso auf chinesische Vorfahren verweisen wie der aktuell regierende Abhisit Vejjajiva. Dabei kommen beide aus unterschiedlichen Lagern, die sich gegenseitig bis aufs Messer bekämpfen. Chinesischstämmige Präsidenten außerhalb von Ländern mit mehrheitlich chinesischer Bevölkerung gab oder gibt es im südamerikanischen Guyana, in Papua-Neuguinea und Französisch-Polynesien. In Kanada waren oder sind gleich mehrere Abgeordnete, Senatoren, Staatssekretäre und Minister chinesischen Ursprungs. Und in Sydney und Bora Bora stellte die chinesische Gemeinschaft lange Zeit den Bürgermeister.
In den USA hat der Einfluss der chinesischstämmigen Amerikaner in den letzten Jahren ganz besonders zugenommen. Zhao Xiaolan, die für Westler Elaine Lan Chao heißt, war 2001 die erste ethnische Chinesin, die amerikanische Staatsministerin wurde. Sie blieb Arbeitsministerin bis 2009 und war damit das einzige Kabinettsmitglied, das die gesamte Amtszeit des unglückseligen Präsidenten George W. Bush durchhielt. Schlauerweise verdoppelte Präsident Obama bei seinem Amtsantritt gleich die Zahl der amerikanischen Chinesen in seinem Kabinett. Der Physiknobelpreisträger Zhu Li Wen, alias Steve Chu, wurde Energieminister, und Luo Jiahu, alias Gary Fay Locke, Handelsminister. Der nächste oder übernächste Präsident der USA wird dann wahrscheinlich auch ein sogenannter ABC sein, ein in Amerika geborener Chinese. Das ist letztlich auch nur logisch und gerecht, weil ja die Chinesen in der Volksrepublik US-amerikanische Staatsanleihen im Wert von mehreren hundert Milliarden Dollar besitzen und ihnen damit der größte Teil des maroden Landes sowieso schon gehört.
Natürlich ist es uneingeschränkt zu begrüßen, dass die Chinesen langfristig auf diesem Planeten die Macht übernehmen werden. Im Großen und Ganzen sind es vernünftige Menschen, die auf Ausgleich und Verständigung bedacht sind. Und anders als die USA und Deutschland haben sie in den letzten dreißig Jahren keinen Krieg mehr geführt. Vor allem aber: Praktisch überall dort, wo Chinesen etwas zu sagen haben, wächst die Wirtschaft. So blieb zum Beispiel während der Wirtschaftskrise 1997 von allen kanadischen Provinzen einzig British Columbia von einer Rezession verschont, was auf den hohen Prozentsatz der hier lebenden Chinesen zurückgeführt wurde. Es wird also langsam Zeit, dass auch Deutschland einen Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin bekommt, der oder die mit Nachnamen Wang, Chen oder Li heißt.
Das Schönste an dem wachsenden Einfluss der Chinesen auf der ganzen Welt aber ist, dass wir beide, Sie und ich, davon in ganz besonderer Weise einen Vorteil haben. Ich, weil ich in Peking und damit in der zukünftigen Welthauptstadt lebe. Und Sie, weil Sie in dem Moment, in dem Sie diesen Satz hier lesen, das große China-Abitur bestanden haben. Jetzt wissen Sie wirklich alles, was man zum Mitreden über China braucht. Hängen Sie sich doch ein selbstgemaltes Zeugnis über Ihren Schreibtisch. Aber vergessen Sie bitte nicht, jedem zu erzählen, von wem Sie Ihre Weisheiten haben. Es könnte nämlich sein, dass
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